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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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als sie jemand rufen hörte. Ein schriller Schrei folgte, dann hörte
man Stimmen, die lauter wurden. Ein Schauer lief über Jessies Rücken. Sie
sprang vom Sofa auf, lief durch den Raum zur Tür und riß sie auf.
    »Feuer!
Feuer im Ostflügel!« hörte sie jemanden rufen. Auf die Schreckensmeldung hin
begannen die Menschen die Treppen hinunterzustürzen, die Menge aus dem
Ballsaal strömte in den Flur wie ein Fluß, der Hochwasser führt.
    Der
Ostflügel! Mein Gott, das war der Flügel des Hauses, in dem die Gäste
untergebracht waren – Papa Reggie war dort und auch Viola! Sie lief zu der
breiten Marmortreppe und versuchte, sich durch die Menge der Menschen zu
kämpfen, die nach unten rannten. Aber für jeden Schritt, den sie nach oben
machte, schubste jemand sie mehrere Schritte nach unten.
    »Wohin
wollt Ihr, Ihr Dummkopf?« rief ihr jemand zu. »Das ganze Haus brennt nieder!«
    »Der
Marquis ist dort oben!« rief sie. »Ich muß zu ihm und ihn holen.« Die Flammen
konnte man jetzt bereits sehen, sie loderten an den Gardinen empor, angefacht
von dem Wind, der durch die großen offenen Fenster wehte. Ein Stück weiter den
Flur hinunter ging die kostbare Tapete in Flammen auf. Jessie fuhr sich über
die Lippen, sie starrte die Treppe hinauf, Angst erfaßte sie. Sie wollte gerade
erneut versuchen, nach oben zu gelangen, als sie eine untersetzte weibliche
Gestalt mit einer riesigen silbernen Perücke entdeckte.
    »Lady
Bainbridge!«
    »Jessica!
Wir haben uns solche Sorgen gemacht – wir müssen das Haus verlassen.«
    »Papa
Reggie ...« Erleichtert sank sie in sich zusammen, als sie ihn sah, in seinem
langen Baumwollnachthemd mit einer Zipfelmütze auf dem Kopf.
    »Komm,
meine Liebe«, sagte er. »Es ist Zeit, daß wir hier verschwinden.«
    »Was ist
mit Vi? Sie hat in meinem Zimmer geschlafen und auf mich gewartet, um mir nach
dem Ball aus dem Kleid zu helfen.«
    »Ich habe
im Flur mit ihr gesprochen. Sie hat sich Sorgen um dich gemacht. Ich habe sie
nach unten geschickt und ihr gesagt, daß ich mich um deine Sicherheit kümmern
würde.« Der Marquis sah sich um. »Wo ist Matthew? Ich dachte, er sei bei dir.«
    Alles Blut
wich aus Jessies Gesicht. »Matthew? War er denn nicht bei dir?«
    »Nein.«
    »Oje, oje«,
jammerte Lady Bainbridge. »Er hat etwas davon gesagt, daß oben irgendwo ein
Kartenspiel stattfinden sollte, aber das war schon vor einer ganzen Weile.
Vielleicht ist er ja auch ins Bett gegangen.«
    »Oh, du
liebe Güte.« Jessie biß sich auf die Lippen, als sie von der Menge mit nach
unten in die Eingangshalle gezogen wurden und dann in die kalte Nachtluft
stolperten, die voller Rauch und Ruß war.
    »Wir müssen
Matthew finden«, rief sie. »Wir können ihn nicht einfach da drin lassen.«
    »Er ist
ganz bestimmt in Sicherheit«, beruhigte sie Papa Reggie. »Wahrscheinlich ist
er längst hier draußen.« Doch sein Gesicht war blaß und kummervoll, genau wie
das der Gräfin.
    »Sind alle
in Sicherheit?« Lord Pickering lief durch die Menge, die sich unter den Bäumen
in sicherer Entfernung vom Haus versammelt hatte und den Flammen zusah, die
sich immer weiter ausbreiteten. Eine Eimerkette hatte sich gebildet. Diener und
Gäste arbeiteten fieberhaft, um das lodernde Feuer einzudämmen.
    »Es sind
noch Leute im Haus«, hörte Jessie jemanden rufen, und eine Frau begann zu
schluchzen. »Einige sind in den Zimmern im zweiten Stock eingeschlossen.
Vielleicht sind auch noch welche in den Schlafzimmern.«
    »Oh, lieber
Gott.« Jessie wandte sich zu der Menschenmenge um. »Matthew!« rief sie und sah
sich gehetzt um. »Matthew, wo seid Ihr?« Die Gräfin stimmte in ihr Rufen mit
ein, ebenso wie Papa Reggie. Sie arbeiteten sich durch die Menge und hofften,
daß jemand ihn gesehen hatte. Doch Matthew war nirgendwo zu finden.
    Jessies
Blick zuckte in Richtung Haus. »Er ist noch dort drinnen, ich weiß es.« Sie
raffte ihr langes, weißes Kleid bis zu den Knien und hetzte zum Haus zurück.
    »Jessica!«
rief der Marquis ihr nach. »Jessica, du darfst nicht ins Haus gehen!«
    Doch sein
Rufen war wirkungslos. Heftig atmend blieb Jessie erst stehen, als sie in der
Eingangshalle war. Sie starrte die Treppe hinauf in das Inferno, das durch den
ersten Stock tobte. Matthews Zimmer lag ein Stockwerk höher, dem ihren gegenüber,
aber das Treppenhaus stand bereits in Flammen.
    Vielleicht
ist er ja draußen, und ich habe ihn nur nicht gesehen, dachte sie verzweifelt,
doch ihr Herz sagte ihr, daß es nicht so war. »Lieber

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