Stachel der Erinnerung
das Gewächshaus mit exotischen
Blumen zu bepflanzen. Sie wollte alles tun, um die leeren Stunden zu füllen,
damit sie nicht an Matthew denken mußte.
Er war seit
drei Wochen wieder weg. Nur wenige Stunden nach ihrer Rückkehr von Benhamwood
nach Belmore war er nach Portsmouth abgereist. Auch die Bitten seines Vaters,
doch noch einen Tag länger zu bleiben, hatten ihn nicht von seinem Vorhaben
abbringen können.
Auf dem
ganzen Weg nach Belmore war er merkwürdig abwesend gewesen. Er hatte kein Wort
von dem verheerenden Brand gesprochen und auch nicht von dem, was danach zwischen
ihnen geschehen war. Es hatte nur einen einzigen Augenblick vor seiner Abreise
gegeben, in dem die starre Maske, hin ter der er seine Gefühle verbarg, ein
paar Risse bekommen hatte.
Er stand
vor dem Haus, sein Gepäck war auf den Rücken des Pferdes geschnallt, und er
reichte seinem Vater die Hand. Doch dann packte er ihn bei den Schultern und
drückte ihn an sich, ein sichtbares Zeichen der Zuneigung, das er sonst
vermied.
»Paß auf
dich auf, Vater«, sagte er bewegt.
»Das hoffe
ich auch von dir, mein Sohn.«
Matthew
nickte nur. Als er sich dann zu Jessica wandte, legte er ihr einen Finger unter
das Kinn und sah ihr tief in die Augen.
»Und du,
meine bezaubernde kleine Range, wenn du noch einmal auf diese Weise dein Leben
aufs Spiel setzt – gleich ob für mich oder für sonst jemanden –, wird die
größte Gefahr für dich von mir kommen.« Danach war der sanfte Ausdruck aus
seinen Augen verschwunden. Er wandte sich steif ab, stieg auf sein Pferd und
ritt einfach davon.
Diesmal
hatte er sich nicht für den Ausbruch seiner Leidenschaft entschuldigt.
Vielleicht bedauerte er ja gar nicht, was vorgefallen war. Oder er glaubte, daß
sie schuld daran war, daß sie ihn hätte aufhalten müssen – wie es eine wahre
Lady auch getan hätte.
Ganz sicher
hätte Caroline Winston das getan.
Jessies
Herz tat ihr weh, wenn sie daran dachte, wie sie sich benommen hatte. Nie war
es ihr in den Sinn gekommen, seine feurigen Küsse abzuwehren. Sie hatten
zusammen gegen das Feuer gekämpft und wären dabei fast umgekommen. Das Leben
war ihr nie kostbarer erschienen, ihre Liebe zu ihm war nie heftiger gewesen.
Liebe. Bis jetzt hatte sie das nie vor sich
selbst zugegeben, obwohl sie tief in ihrem Herzen von Anfang an gewußt hatte,
daß es das war, was sie für ihn fühlte. Sie hatte Matt Seaton geliebt, solange
sie sich erinnern konnte. Und dennoch war das, was sie getan hatten, falsch
gewesen.
Matthew
gehörte einer anderen. Ihn verlangte nach ihr, ja. Das hatte er niemals
abgestritten. Aber eine Lady hätte die Leidenschaft, die ihn zu ihr trieb, zu
zügeln gewußt. Sie wäre in Ohnmacht
gefallen, wenn sie seine Lippen auf ihrer Brust gefühlt hätte und seine Hände
auf ihren nackten Schenkeln.
Eine Lady
wäre schockiert und entsetzt gewesen.
Jessie
erschauerte, als ein Windstoß durch den Garten wehte und die Blätter der Rosen
vor sich hertrieb. Wie die Mutter, so die Tochter, dachte sie unglücklich. Sie
erinnerte sich an die alles verbrennende Flamme, die sie in sich gefühlt
hatte, als Matthew sie berührte. Sicher war sie genauso verdorben – das mußte
die Wahrheit sein.
Dennoch
würde sie nie bedauern, was geschehen war. Sie hatte nie zuvor gemerkt, daß
sein Beschützerinstinkt ihr gegenüber so heftig war, daß er so zärtlich sein
konnte, so wild und voller Verlangen. In diesem Augenblick war sie sicher gewesen,
daß er etwas für sie empfand. Doch wenn das so wäre, dann hätte er ganz sicher
mit ihr darüber gesprochen, dann hätte er ihr gesagt, daß ihm etwas an ihr lag,
daß er wenigstens eine schwache Zuneigung für sie hegte.
Doch
Matthew hatte geschwiegen. Es war ganz offensichtlich, daß er nach wie vor
beabsichtigte, Lady Caroline zu heiraten.
Sie
erinnerte sich an seine Worte während des Walzers: Jeremy ist ein
ehrenwerter Mann. Er ist reich und mächtig. Wenn er um Eure Hand für eine
Eheschließung anhält, dann solltet Ihr zweifellos seinen Antrag annehmen. Das
Herz tat ihr weh bei dem Gedanken, daß er von ihr verlangte, einen anderen Mann
zu heiraten.
In der
letzten Woche hatte der Herzog ihr seine Aufwartung gemacht, so wie er es
versprochen hatte. Er hatte Papa Reggie gebeten, ihr den Hof machen zu dürfen.
Als sie dann zusammen im Garten spazierengegangen waren, hatte er sie sehr
galant um ihre Hand gebeten.
Jessie war
ihm ausgewichen, sie hatte ihn gebeten, ihr mehr Zeit zu lassen. Sie hatte
Weitere Kostenlose Bücher