Stachel der Erinnerung
ihm
versichert, daß sie sich noch nicht von der schrecklichen Nacht in Benhamwood
erholt hatte. Doch der Herzog war hartnäckig gewesen, er hatte Oden auf ihre
Schönheit und ihren Mut verfaßt, hatte ihre Intelligenz und ihren Geist
gepriesen. Er wollte sie zu seiner Herzogin machen, hatte er ihr erklärt. Es
gäbe keine andere Frau auf der ganzen Welt, die ihr auch nur annähernd
gleichkäme. Von Liebe hatte er nicht gesprochen, doch er hatte sie seiner
unsterblichen Hingabe versichert und behauptet, daß sein Herz sich nie wieder
erholen würde, wenn sie sich ihm verweigerte.
Am Anfang
war Papa Reggie in dieser Sache eigenartig schweigsam gewesen, wenn sie
bedachte, daß er und die Gräfin in London gehofft hatten, daß eine solche
Verbindung zustande kommen würde. Am Tag nach der Abreise Seiner Gnaden hatte
er sich ins Bett gelegt mit einem Anfall von Wechselfieber, das ihn oft plagte,
und Jessie hatte besorgt an seinem Bett gesessen. Erst dann hatte er sich
ausgiebig mit ihr über den Herzog und seinen Antrag unterhalten. Er hatte ihr
die Vorteile erklärt, die eine Eheschließung mit einem Mann seines Reichtums
und seiner Position ihr bringen würde. Jessie hatte gelächelt und zustimmend
'genickt. Doch ihr war vor Kummer ganz übel gewesen.
Jetzt, als
sie eine langstielige Rose abschnitt, fragte sie sich, wie lange es wohl noch
dauern würde, bis der Marquis sie drängte, den Antrag des Herzogs anzunehmen.
»Siehst du sie?«
Danny Fox
hockte hinter der Gartenmauer und blickte zu seiner Schwester hinüber. Er
grinste. »Ich sehe das kleine Luder.«
»Ich habe dir doch gesagt, sie ist da.«
»Das hast
du, Connie, mein Junge. Ich dachte, sie wäre noch ein wenig länger in London
geblieben.« Und das wäre sie auch, dessen war er sich sicher, sie hätte noch
eine ganze Menge des Geldes des Marquis ausgegeben – er zumindest hätte das an
ihrer Stelle getan –, wenn nicht dieses verdammte Feuer gewesen wäre.
Geschichten von der schrecklichen Nacht in Benhamwood, vom Tod zweier
Dienstboten der Pickerings und vom Totalverlust des Landhauses waren in der
Stadt das Thema des Tages gewesen – ebenso wie die Geschichte der Tapferkeit
von Jessie Fox.
In jedem
Gasthaus, in jeder Taverne sprach man von Lord Pickering
und von der Frau, die in das brennende Haus gelaufen war, um ihren entfernten
Cousin zu retten. Sogar in der drei Tage alten Morning Post, die Connie
auf der Straße gefunden hatte, hatte ein Artikel über sie gestanden.
»Der
Gärtner ist weg«, unterbrach Connie Dannys Gedanken. »Sie ist jetzt allein.«
Danny
brummte zufrieden. »Komm, wir wollen zu ihr gehen und mit ihr reden, ehe jemand
uns stört.«
Beim Klang
der Schritte hinter ihr wandte Jessie sich um, sie erstarrte, als sie in das
Gesicht ihres Bruders blickte. »Danny, was ... was tust du denn hier?«
»Also, ist
das etwa die richtige Art, deinen so schmerzlich vermißten Bruder zu begrüßen?«
Jessie hob
das Kinn und war entschlossen, sich nicht, wie sonst immer, von ihm
einschüchtern zu lassen. »Was willst du? Wir sind weit weg von Eylesbury, und
in Belmore gibt es auch keinen Jahrmarkt. Warum bist du hier? Woher wußtest du,
wo du mich finden konntest?«
»Ich habe
so meine Mittel und Wege. Das solltest du eigentlich wissen.«
»Ich habe
dich gefragt, was du hier willst.«
Dannys
schmale Lippen verzogen sich ein wenig. »Es tut mir leid, daß ich das sagen
muß, aber ich befinde mich in einer augenblicklichen Verlegenheit.«
»Das bist
du immer, Danny .«
»Jaaa, na
ja, die Dinge haben sich ein wenig verändert, seit wir uns zum letzten Mal
gesehen haben. Ich bin jetzt ein verheirateter Mann. Das hast du nicht gewußt,
nicht wahr? Ich bin sogar Vater. Ich habe ein kleines blondes Mädchen, das
genauso aussieht wie du, als du noch ein Baby warst.«
»Das glaube
ich dir nicht.«
»Warum denn
nicht? Du denkst doch nicht etwa, daß mich keine haben will?«
»Nicht,
wenn sie über ein wenig Verstand verfügt.«
»Ich habe
eine Ehefrau – so wahr mir Gott helfe. Du weißt doch, daß ich schon immer ein
Händchen für Frauen hatte.«
Das war
nicht gelogen. Er versprach ihnen die Sterne vom Himmel, doch bekamen sie statt
dessen seine harte Hand zu spüren. Es lief immer darauf hinaus, daß sie als
Dirnen das Geld für ihn verdienten.
»Selbst
wenn du eine Frau hast, was hat das mit mir zu tun?«
Danny trat
ein paar Schritte näher und fuhr ihr dann sanft mit der Hand über die Wange.
»Ich brauche Geld, kleine
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