Stachel der Erinnerung
würde.«
»Das ist
wahr, Liebes. Er ist noch dazu ein gutaussehender Junge, mit seinen großen
braunen Augen, dem sandfarbenen Haar und seinen schönen weißen Zähnen.«
»Genau das
ist das Problem. Jeremy ist ein Junge, kein Mann.«
Vi lachte
nur. »Früher oder später werden sie alle erwachsen. Das gehört zu der Aufgabe
einer Ehefrau. Du wirst ihm dabei helfen, ein feiner, aufrechter Mann zu
werden.«
»Wirklich?
Eigentlich hatte ich mir das so nicht vorgestellt.« Die Erinnerung an Matthews
glühende Küsse stieg in ihr auf, an seine starken Hände, die sich um ihre
Brüste geschlossen hatten. Matthew Seaton hatte überhaupt nichts Jungenhaftes
an sich. Der Graf von Strickland war ein wirklicher Mann.
»Kopf hoch,
Liebes. Es ist sicherlich besser als ein Leben auf der Straße.«
Jessie
lächelte gequält. »Da hast du sicher recht, Vi. Und glaube mir, ich habe das
nicht vergessen. Von jetzt an werde ich mich glücklich schätzen, genau wie du
mich ermahnt hast.«
Doch es
stellte sich heraus, daß das nicht so einfach war.
Nicht mehr,
als sie an diesem Abend in den Salon kam und Matt Seaton in einem der weichen
Polstersessel entdeckte.
Jessica
stockte der Atem, als er aufstand – groß, schlank und muskulös stand er vor
ihr, ein wenig lässig, beinahe unverschämt.
»Seid Ihr
überrascht, mich zu sehen, Mistress Fox? Und ich dachte, es sei hauptsächlich
Eure Idee gewesen, daß ich zu Eurer Hochzeit komme.«
»W-was tut
Ihr hier in London? Ich dachte, Ihr wärt noch immer auf See ... irgendwo auf
Eurem Schiff.«
Er kam auf
sie zu, mit langen, entschlossenen Schritten. Sein Gesicht war spöttisch
verzogen. »Ich kann mir doch Eure Hochzeit nicht entgehen lassen. Noch dazu mit
einem Herzog. Ihr solltet stolz auf Euch sein.«
Jessie
bebte am ganzen Körper. Lieber Gott, Matthew war hier! Und er sah so gut aus
wie nie zuvor. Sein Gesicht war gebräunt, sein goldenes Haar von der Sonne
gebleicht, seine Schultern schienen noch breiter, als sie sie in Erinnerung
hatte. Ihr Magen zog sich zusammen. Den Herzog zu heiraten fiel ihr schon
schwer genug. Doch jetzt würde jeder einzelne Augenblick erfüllt sein mit den
Gedanken an den Sohn des Marquis.
»W-woher
habt Ihr gewußt, daß ich heiraten würde?«
Er kam noch
näher und blieb erst stehen, als er sie fast berührte. Sie mußte den Kopf in
den Nacken legen, um ihn anzusehen. Der Duft seines Rasierwassers stieg ihr in
die Nase.
»Mein Vater
hat mir einen Brief geschrieben. Nett von ihm, nicht wahr? Er hat natürlich
auch alles andere arrangiert, er hat mit Admiral Cornwallis persönlich
gesprochen. Mein Vater kann so gut wie alles schaffen, wenn er es will.«
Jessie
schluckte. »Aber warum ...? Warum sollte er so etwas tun?«
Eine tiefe
Stimme gab ihr die Antwort, als der Marquis in diesem Augenblick das Zimmer
betrat. »Weil, meine liebe Jessica, ich als dein Vormund der Meinung bin, daß
du die Unterstützung deiner Familie brauchst – der gesamten Familie, und das
schließt natürlich ganz besonders meinen Sohn mit ein, den Erben von Belmore.«
Jessie
wandte sich an Matthew. Nervös fuhr sie sich über die Lippen. »Wie lange seid
Ihr schon in London?«
»Ich bin
heute nachmittag angekommen. Vater und ich haben uns unterhalten. Ich freue
mich, zu sehen, daß sein Gesundheitszustand sich gebessert hat.«
»Ja ...«,
stimmte ihm Jessie zögernd zu. »Ich habe mich seinetwegen vor der Reise
gefürchtet. Ich dachte, wir hätten viel leicht warten sollen, die Hochzeit
verschieben sollen, doch er hat darauf bestanden. Euer Vater ist noch
entschlossener als Ihr, wenn er sich etwas fest vorgenommen hat.«
Matt zog
einen Mundwinkel hoch. »Und auch nicht weniger als Ihr, Miss Fox ... wenn Ihr
Euch entschlossen habt, einen Herzog zu heiraten.«
Jessie
erstarrte. Zum ersten Mal wurde ihr klar, daß das Gefühl, das er hinter seinem
spöttischen Äußeren versteckte, Zorn war. Aber warum? Matthew wollte sie doch
nicht. Immerhin war er es gewesen, der ihr geraten hatte, den Herzog zu heiraten.
»Jeremy wird mir ein sehr guter Ehemann sein. Euer Vater wünscht, daß ich
heirate, und ich werde ihn nicht enttäuschen. Wenn ich mich außerdem recht
erinnere, Mylord, war das auch Euer Wunsch. Ihr sagtet, wenn Jeremy mich um
meine Hand bitten würde, sollte ich seinen Antrag annehmen. Ihr solltet Euch
freuen, daß ich genau das getan habe.«
Sein
Lächeln war eher boshaft als warm. »Oh, das bin ich, Mistress Fox. Ihr habt
meinen aufrichtigsten Segen.« Er
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