Stachel der Erinnerung
himmelweiter Unterschied, mein Freund.« Er grinste die dunkelhaarige Dirne
an. »Janie hier weiß, daß ich sie haben will. Und sie weiß auch, ehe wir
miteinander fertig sind, daß ich sie auf jede Art nehmen werde, die mir in den
Sinn kommt. Aber ich habe nicht die Absicht, sie zu heiraten – oder eine andere
verdammte Frau.«
Matt
stützte die Ellbogen auf den Tisch und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
»Jetzt ist nichts mehr daran zu ändern. Sie gehört Milton. Morgen abend wird er
der Mann sein, der in ihrem Bett liegt.«
Adam füllte
ihre beiden Gläser auf. »Wie sehr begehrst du sie denn?«
Matt
starrte benommen vor sich hin. Sein Mund war zu einer schmalen Linie
zusammengepreßt, die Haut über den Wangenknochen gespannt. »Mehr, als ich je
etwas in meinem Leben gewollt habe.«
Adam
knallte das Glas auf den Tisch. »Verflixt noch mal, Strickland.«
»Das kannst
du laut sagen.«
»Himmel,
Mann, was wirst du tun?«
»Ich kann,
verdammt, gar nichts tun. Morgen mittag wird Jessie den Herzog heiraten, und es
gibt, Teufel noch mal, nichts, was ich daran ändern könnte.«
St. Cere
schüttelte den Kopf, seine dichten schwarzen Locken fielen ihm
in die Stirn. »Es hat noch nie eine Frau gegeben, die ich haben wollte und
nicht haben konnte. Ich wüßte nicht recht, was ich tun würde, wenn ich an
deiner Stelle wäre.«
Die Frau
auf seinem Schoß zappelte unruhig. »Aber mich willst du doch, nicht wahr,
Schätzchen? Warum gehen wir nicht nach oben, dann kannst du mir zeigen, wie
sehr du mich willst.« Sie rutschte verführerisch auf seinem Schoß hin und her,
doch statt aufzustehen, gab ihr St. Cere einen Klaps auf den Po.
»Sitz
still», befahl er. »Ich werde dir schon sagen, wenn ich bereit bin, nach oben
zu gehen.« Ihr Mund verzog sich schmollend, doch ihre Augen blitzten.
Matt goß
sich noch ein Glas ein. »Ich wünschte, ich könnte die Uhr zurückdrehen, doch
das geht leider nicht. Ich werde mich also vollaufen lassen und dann mit dieser
vollbusigen Blondine nach oben gehen. Ich werde erst wieder runterkommen, wenn
Jessie Fox verheiratet und für immer aus meinem Leben verschwunden ist.«
»Na, na«,
wehrte Adam ab und hob sein Glas. »Wer will sich denn schon für immer binden?
Ich habe es einmal versucht, und ich sage dir, von diesem Tag an hat ein Mann
keinen Augenblick mehr seinen Frieden.« Er goß sich den Drink in die Kehle und
drehte das leere Glas nachdenklich in seiner Hand. »Auf der anderen Seite,
Milton ist ein unbedarftes Jüngelchen ... er hat nicht die leiseste Ahnung, was
er vom Leben will. Eine Frau wie deine Jessie braucht einen richtigen Mann.«
Matt
schwieg. Seine Zunge schien angeschwollen, sein Kopf schien zu schweben, und
dennoch war er noch immer viel zu nüchtern. Er dachte an Jessie, zusammen mit
Milton, und gelber Nebel stieg vor seinen Augen auf. Jessie war sein – sie
gehörte ihm, nicht Milton. Er wußte es, und sie wußte es auch.
Aber es war
zu spät. Zu spät für sie beide.
Er malmte
mit den Kiefern, füllte sein Glas erneut und schüttete den Gin in sich hinein.
13
Die St.
James Cathedral,
ein mächtiges Gebäude aus dem Barock, war von Christopher Wren entworfen
worden. Sie stand an der Stelle der alten gotischen Kirche, die in der
gewaltigen Londoner Feuersbrunst im Jahre r666 zerstört worden war. Ihr hoher
Turm war am Horizont von weither zu sehen.
An diesem
grauen, nebligen Morgen versammelte sich hier eine riesige Menge der feinsten
Gesellschaft Englands, um die Hochzeit eines Mitglieds des Adelsstandes zu
feiern – des gutaussehenden Herzogs von Milton mit seiner unglaublich schönen
blonden Braut, dem Mündel des Marquis von Belmore, Jessica Fox.
Es war die
Hochzeit des Jahrhunderts, erzählten die Leute, vielleicht nicht die größte
Hochzeit, aber doch die, über die am meisten geredet wurde. Nur wenige Menschen
konnten sich vorstellen, wie eine so extravagante Feier in einer so kurzen Zeit
hatte vorbereitet werden können – oder auch warum. Insgeheim wurde über die
unziemliche Eile spekuliert, doch sowohl der Herzog als auch der Marquis waren
mächtige Männer. Und während sich die hohen Herrschaften zu Hunderten ins Innere
der Kirche drängten, perlten nur Glückwünsche für eine glückliche Ehe über die
adligen Lippen.
Als Jessie
vor der Kirche vorfuhr, war diese bis zum letzten Platz besetzt, die Türen
waren bereits geschlossen. Nur vereinzelt wurden noch Personen eingelassen,
die sich eiligst ein schmales Plätzchen im
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