Stachel der Erinnerung
Eure Kosten, Mylady. Ich hätte Euch ganz selbstverständlich
die Möglichkeit gegeben, unsere Beziehung von Eurer Seite aus zu lösen, egal ob
unsere Verlobung nun offiziell war oder nicht. Ihr seid mir eine wahre und
treue Freundin gewesen, solange ich zurückdenken kann. Euch Kummer zu machen
ist das letzte, was ich gewollt habe.«
Tränen der
Wut brannten in ihren Augen, doch gelang es ihr, sie zurückzuhalten. »Ich weiß
zu schätzen, daß Ihr gekommen seid, Mylord. Mir ist klar, daß wir alle nur
Menschen sind. Ein jeder von uns hat seine Schwächen und Fehler.« Sie zwang
sich zu einem wehmütigen Lächeln, wo sie doch am liebsten getobt hätte. »Ich
gebe zu, daß ich geglaubt habe, Ihr hättet weniger Fehler als die anderen
Männer, vielleicht sogar, daß Ihr das perfekte Vorbild des Mannes wärt, den
eine Frau sich nur wünschen konnte.«
»Caroline
...«
Sie hob
ihre schmale, weißbehandschuhte Hand. »Die Tatsache bleibt bestehen, daß Ihr
jetzt verheiratet seid. Das muß ich akzeptieren. Mit der Zeit werde ich das
sicher können. Im Augenblick jedoch ist es mir nicht möglich, Euch Glück zu
wünschen. Später werde ich vielleicht auch das tun können und es sogar ehrlich
meinen. Bis dahin bete ich, daß Euch Gott und auch der Herzog vergeben mögen.«
Sie wandte sich ab und wollte gehen, doch Matthew griff nach ihrer Hand.
»Und Ihr,
Caroline? Werdet Ihr mir jemals vergeben?«
Wie konnte
sie das tun? Er hatte sie vor der ganzen Gesellschaft lächerlich gemacht und
ihre sorgfältig ausgearbeiteten Pläne für die Zukunft torpediert. Sie hatte auf
ihn gewartet, als sie jeden anderen Bewerber hätte haben können. Doch ihrem
Gesicht war nichts von ihren Gedanken abzulesen, obwohl sie glaubte, im
nächsten Moment zu platzen. Schließlich nickte sie. »Ich werde es versuchen,
Mylord.«
Damit
verließ sie ihn und ging nach oben. Schon seit Tagen tobten Zorn und Schmerz in
ihr. Matthew hatte sie vor der ge samten Londoner Adelsgesellschaft
erniedrigt. Er selbst hatte sich lächerlich gemacht, hatte den Herzog beleidigt
und ihre Zukunft zerstört. Doch das war nicht allein sein Fehler – Jessica Fox
hatte ihn dazu getrieben.
Sie war ein
falsches Luder, eine gewissenlose Hexe, die ihn verführt hatte, die sich einen
Weg in sein Herz erschlichen und den edlen Namen von Belmore in den Schmutz
gezogen hatte.
Wer war
diese Frau, diese Dirne, die ihr Matthew gestohlen hatte? Caroline schäumte.
Woher war sie gekommen? Warum hatte noch nie jemand von ihr gehört? Vielleicht
hatte Frances Featherstone ja recht gehabt. Von Anfang an war ihre Cousine
gegenüber Jessica Fox mißtrauisch gewesen. Sie hatte sich ständig von den
anderen ferngehalten, hatte eine uneinnehmbare Festung um sich aufgebaut.
Vielleicht wußte Matthew ja gar nicht die volle Wahrheit über sie.
In diesem
Augenblick war sich Caroline sicher, daß die bezaubernde, aber gewissenlose
Miss Fox eine Menge gefährlicher Geheimnisse vor der anständigen Welt verbarg.
In Gedanken weidete sie sich an Matthews Entsetzen, wenn er davon erfuhr. Sie
konnte ihn förmlich sehen, wie er vor ihr auf den Knien lag und sie um
Verzeihung anflehte. Sie stellte sich vor, wie Jessica Fox vor der gesamten
Londoner Gesellschaft entehrt wurde. Matthew würde reumütig den Fehler zugeben,
den er gemacht hatte. Vielleicht würde er sogar ein Mittel finden, ihn ungeschehen
zu machen.
Caroline
lächelte. Ihre Vorstellungskraft minderte den grausamen Schlag, den ihr Stolz
erlitten hatte. Wenn es noch eine Gerechtigkeit gab, dann würde Jessica Fox
bestraft werden für den Schmerz, den sie Caroline zugefügt hatte. Caroline Winston
war genau der richtige Mensch, um diese Aufgabe zu erfüllen. Jawohl ... so
schwor sie sich, früher oder später, auf die eine oder die andere Art, würde
Gräfin von Strickland bitter dafür bezahlen, was sie ihr angetan hatte.
Es war
schon dunkel, als Matthew nach Belmore zurückkehrte. So schrecklich die Szene
in Winston House auch gewesen war, sosehr er
sich schämte für den Schmerz, den er Caroline und ihrer Familie zugefügt hatte
– im Grunde fühlte er sich erleichtert.
Von dem
Augenblick an, als er in dem Gasthof aufgewacht war und festgestellt hatte, daß
er Jessie vom Altar verschleppt hatte, ertrank er in einem Meer aus Bedauern
und Schuldgefühlen. Er hatte dem Herzog eine Nachricht geschickt, in der er
sich persönlich bei ihm entschuldigte und ihm anbot, finanzielle
Wiedergutmachung zu leisten, eine öffentliche
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