Stachelzart
zurück in der Zivilisation! Ich gab Henri meine Nummer und speicherte seine Kontaktdaten ebenfalls. „Ich würde mich sehr freuen, wenn du nach Berlin kommen würdest!“, sagte ich und umarmte Henri. Wie Sam würde auch er mir fehlen. Ich hatte die Gespräche mit ihm wirklich sehr genossen und wir hatten so viele Gemeinsamkeiten entdeckt. Henri gab mir einen freundschaftlichen Kuss auf die Stirn.
„Pass auf dich auf!“
„Du auch!“ Ich löste mich aus Henris Umarmung und drehte mich zur Seite. Kay stand einige Meter entfernt und starrte uns mit zusammengekniffenen Augen an. Ihm schien es nicht zu gefallen, wie freundschaftlich Henri und ich miteinander umgingen. Ich ignorierte ihn einfach. Wenn er tatsächlich seine Zeit mit mir verbringen wollte, musste er damit leben, dass ich mich auch mit anderen Männern unterhalten würde. Wo kämen wir denn da hin, wenn ich auf so einen albernen Quatsch Rücksicht nehmen würde?
Henri verabschiedete sich auch von Vera und Kay. Beide wirkten sehr unterkühlt. Trotzig warf ich den Kopf in den Nacken und hauchte Henri noch einen kleinen Kuss auf die Wange.
„Bis bald!“, rief ich ihm hinterher. Er nickte, warf mir eine Kusshand zu und stieg in den Wagen.
Kay blickte dem Auto mit versteinerter Miene nach. Er wollte gerade etwas sagen, als fast zeitgleich unsere Handys piepsten. Die ersten Nachrichten trafen ein. Vera und Kay waren vorerst nicht mehr ansprechbar. Wie Junkies klickten sie sich durch ihre E-Mails und SMS und hörten ihre Mailboxen ab.
Auch ich hatte einige Nachrichten bekommen. Mimi hatte mir zwei SMS geschrieben, in denen sie wissen wollte, wie der Urlaub mit Vera lief. Auf meiner Mailbox hatte sie die Nachricht hinterlassen, ich solle mich doch zwischendurch mal melden. Ansonsten hatte ich noch einige Werbe E-Mails bekommen, die ich sofort löschte und eine E-Mail von meinem Verlag, in der sie noch einmal an die Abgabefrist für mein Storyboard und den endgültigen Termin für meinen neuen Roman erinnerten. Wenn ich mich nicht an die Fristen halten würde, würden sie sich dazu gezwungen sehen, den Vertrag mit mir aufzulösen.
Herzlich willkommen zurück in der Realität , dachte ich und seufzte.
Kay und Vera schienen wesentlich mehr Nachrichten als ich erhalten zu haben, denn sie waren immer noch mit ihren Handys beschäftigt.
Ich beschloss nachzusehen, wie weit Herr Meyer mit Veras Auto war.
Veras Mercedes war zwar dreckverschmiert, aber er schien tatsächlich nicht beschädigt worden zu sein. Ich konnte keine Beulen erkennen. Ob er doch ein paar Kratzer abbekommen hatte, würde sich erst nach einer gründlichen Autowäsche zeigen.
Als ich kam, saß Herr Meyer gerade auf dem Fahrersitz und startete den Motor. Der Wagen sprang ohne Probleme an. Diese Tatsache und meine unversehrte MJ Handtasche, die ich auf dem Beifahrersitz entdeckte, entlockten mir einen kleinen Freudenschrei.
„Das Auto läuft. Sie können ruhig damit weiterfahren. Es müsste mal gewaschen werden, aber sonst ist alles in Ordnung!“, bemerkte Herr Meyer und stellte den Motor wieder aus. Ich öffnete die Beifahrertüre, schnappte mir meine Handtasche und drückte sie fest an meine Brust. Komm zu Mama!
Endlich hatte ich meine geliebte Handtasche wieder. Ein kurzer Blick ins Innere der Tasche bestätigte mir, dass noch alles da war. Ich fühlte mich gleich viel besser, irgendwie zivilisierter.
Auch Vera hat das Brummen des Motors gehört und kam mit ihren Alpaka-Stiefeln aufgeregt angetippelt.
„Mein Auto funktioniert! Großartig! Endlich kann ich diesen abscheulichen Ort wieder verlassen!“
Ich räusperte mich vernehmlich. Vera besaß wirklich überhaupt kein Taktgefühl. Herr Meyer stammte sicher aus der Gegend, die Vera gerade so beschimpft hatte. Zum Glück hatte er ihre Bemerkung nicht gehört.
„Ich habe Herrn König gesagt, dass wir ihn selbstverständlich in meinem Auto mit nach München nehmen“, erklärte Vera. „Man kann dem armen Mann ja nicht zumuten mit einem Abschleppwagen zu fahren!“
Das wiederum hatte Herr Meyer gehört. Er verzog ärgerlich das Gesicht und brummelte irgendetwas von „Luxusmenschen“. Frostig fragte er Vera nach ihren Daten und stellte ihr eine Rechnung aus. Ich war mir fast sicher, dass er dabei einen „Unverschämtheits-Aufschlag“ machte, denn die Rechnung fiel dafür, dass er an Veras Auto gar nichts repariert hatte, doch sehr hoch aus. Vera kümmerte das wenig. Sie zählte ein paar Scheine aus ihrem
Weitere Kostenlose Bücher