Stachelzart
„Ich-arme-Person-wollte-nur-Gutes-tun-und-niemand-dankt-es-mir“ - Masche herein und bemühte sich, Vera zu beschwichtigen. „Das ist sehr nett, aber ich zahle das Zimmer für Anna und mich natürlich selbst. Ich wäre zwar eigentlich lieber in ein kleineres Hotel gefahren, in dem wir ungestörter sind, aber dann nehmen wir eben den Bayerischen Hof. Tatsächlich kennt man mich dort. Ich wohne, wenn ich in München bin, eigentlich immer in diesem Hotel.“
Vera nickte zufrieden und nippte an ihrem laktosefreien Latte macchiatao. Ich rührte betrübt in meinem Kaffee. Irgendwie hatte ich mir unseren Kurztrip nach München anders vorgestellt. Hoffentlich waren die Mitarbeiter des Bayerischen Hofs wenigstens diskret und wir würden unsere kurze Zeit dort genießen können. Mir grauste es bei dem Gedanken noch mehr weiblichen Fans von Kay zu begegnen. Kaffee-Rosalie hatte mir schon gereicht.
Anderthalb Stunden später parkte Kay Veras Mercedes vor dem Eingang des Bayerischen Hofs. Ein Mann in Uniform kam herbeigeeilt und hielt Vera und mir die Autotüren auf.
„Willkommen die Damen, willkommen Herr König“, meinte er dann. „Ich hoffe, Sie hatten eine gute Anreise.“
„Hallo Gustav. Ja, danke der Nachfrage“, erwiderte Kay und reichte dem Mann seine Autoschlüssel.
Na prima , dachte ich. Scheinbar ist Kay hier sehr oft, wenn er die Angestellten schon beim Vornamen nennt. Und wahrscheinlich war er hier auch schon mit dieser Svea. Das wird bestimmt für Klatsch sorgen, wenn er nun mit mir ankommt.
Mir gefiel das alles überhaupt nicht. Ich hatte keine Lust, dass die Angestellten des Hotels sich das Maul darüber zerrissen, mit wem Kay reiste. Vera schien das gar nicht zu stören, sie war völlig in ihrem Element und tänzelte über den roten Teppich in Richtung Rezeption. Kay griff nach meiner Hand und wollte Vera folgen, doch ich entzog ihm meine Finger. Ich bereute nun, dass ich mich nicht auch in der Raststätte etwas aufgehübscht hatte. Ich kam mir in meinem desolaten Outfit in diesem Luxushotel völlig fehl am Platze vor.
„Hey Baby, was ist denn los?“, wollte Kay wissen und legte seine Hand auf meine Schulter.
„Ich sehe unmöglich aus“, nuschelte ich leise. „Hätte mich besser doch umgezogen.“
„Kannst du doch nachher machen. Mir gefällst du auch so!“, meinte Kay und schob mich in Richtung Rezeption. Im Vorbeigehen warf ich einen Blick in den großen goldenen Spiegel, der an der Wand hing.
Mein Gott, ich sehe aus, als käme ich direkt aus dem Dschungelcamp!
Ich verfluchte Vera für ihre Idee, in diesem Hotel zu übernachten und dafür, dass sie sich so aufgebrezelt hatte und mich deshalb umso heruntergekommener aussehen ließ. Auf die Frage „Spieglein, Spieglein, an der Wand: Sag mir, wer ist die schönste im ganzen Land?“ hätte der Spiegel gewiss geantwortet: „Du auf jeden Fall nicht, Anna!“
Kay hingegen grinste sein Spiegelbild an. Ihn kümmerte sein Äußeres anscheinend nicht. Ich schlug die Augen nieder, damit ich mich nicht mehr ansehen musste. Wie gemein, dass Kay einfach immer gut aussah. Der Dreitagebart und die leicht verdreckten Klamotten verliehen ihm etwas Verwegenes. Ich seufzte.
„Mach dir keine Gedanken. Die haben hier schon Schlimmeres als uns beide gesehen“, sagte Kay und gab mir einen Kuss.
Klick!
Was war denn das für ein Geräusch? Etwa eine Kamera? Hatte uns jemand fotografiert?
Suchend blickte ich mich um, konnte aber niemanden entdecken. Die Lobby war, bis auf ein älteres Ehepaar, das auf einem der Sofas am Eingang Platz genommen hatte, leer. Litt ich etwa schon unter Verfolgungswahn?
„Herr König, wie schön, dass Sie wieder bei uns sind.“ Die blonde Mittzwanzigerin hinter der Rezeption klimperte mit den Wimpern. Mich ignorierte sie einfach.
„Klär du das mit den Zimmern“, flüsterte ich Kay zu und verzog mich auf eine der Sitzgruppen. Ich wollte erst einmal duschen und dann endlich meine Klamotten loswerden, bevor ich den Angestellten dieses Hotels wieder unter die Augen treten wollte. Ich kramte mein Handy aus der MJ. Es zeigte eine neue Nachricht an.
Eine SMS von Henri!
Hi, wie geht’s dir? Bin wieder zurück in Wien. Vermisse unsere Gespräche, Henri
Ich drehte mich zur Seite, sodass ich die Rezeption in meinem Rücken hatte, verzog das Gesicht zu einer Grimasse und schoss mit dem Handy ein Foto. Das schickte ich Henri mit dem Kommentar:
Mogli im Bayerischen Hof :(
SMS von Henri: Was tust du
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