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Stadt aus Glas

Titel: Stadt aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Lektionen lehren, die er gelernt hat. Auf diese Weise wird das Wissen von Generation zu Generation weitergegeben, und wir werden weise.«
    »Ich werde nicht vergessen, was du mir gesagt hast.«
    »Jetzt werde ich glücklich sterben können, Peter.«
    »Das freut mich.«
    »Aber du darfst nichts vergessen.«
    »Das werde ich nicht, Vater. Ich verspreche es dir.«
    Am nächsten Morgen stand Quinn zur üblichen Zeit vor dem Hotel. Das Wetter hatte sich schließlich geändert. Nach zwei Wochen strahlenden Himmels ging nun ein Sprühregen auf New York nieder, und die Straßen waren voll von dem Geräusch nasser rollender Reifen. Eine Stunde lang saß Quinn unter dem Schutz eines schwarzen Schirms auf der Bank und dachte, Stillman werde jeden Augenblick erscheinen. Er aß sein Brötchen und trank seinen Kaffee, las den Bericht über das verlorene Spiel der Mets am Sonntag, und von dem alten Mann war noch immer nichts zu sehen. Geduld, sagte er sich und nahm den Rest der Zeitung in Angriff. Vierzig Minuten vergingen. Er kam beim Finanzteil an und wollte eben die Analyse einer Fusion mehrerer Gesellschaften lesen, als es heftiger zu regnen begann. Widerwillig verließ er seine Bank und ging zu einem Toreingang gegenüber dem Hotel. Dort stand er anderthalb Stunden in seinen feuchtkalten Schuhen. War Stillman krank? fragte er sich. Quinn versuchte sich vorzustellen, wie er im Bett lag und ein Fieber ausschwitzte. Vielleicht war der alte Mann im Laufe der Nacht gestorben, und seine Leiche war noch nicht entdeckt worden. So etwas kommt vor, sagte er sich.
    Heute hätte der entscheidende Tag sein sollen, und Quinn hatte sorgfältig genaue Pläne dafür entworfen. Nun dienten seine Berechnungen zu nichts. Es störte ihn, daß er diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen hatte.
    Dennoch zögerte er. Er stand unter seinem Schirm und sah zu, wie der Regen in kleinen, feinen Tropfen von ihm abglitt. Um elf Uhr hatte er begonnen, einen Entschluß zu fassen. Eine halbe Stunde später überquerte er die Straße, ging vierzig Schritte den Block hinunter und betrat Stillmans Hotel. Das Haus stank nach Schabenvertilgungs­mitteln und Zigarettenstummeln. Einige der Bewohner, die nicht wußten, wohin sie im Regen gehen sollten, rekelten sich in der Halle in orangefarbenen Plastiksesseln. Der Raum wirkte wie leer, eine Hölle schaler Gedanken.
    Ein großer Schwarzer saß mit aufgekrempelten Hemdsärmeln hinter dem Empfangstisch. Er stützte einen Ellenbogen auf den Tisch und hatte den Kopf in die offene Hand gelegt. Mit der anderen Hand blätterte er in einer Boulevardzeitung, aber er hielt kaum inne, um zu lesen. Er sah so gelangweilt aus, als hätte er sein ganzes Leben dort verbracht.
    »Ich möchte eine Nachricht für einen Ihrer Gäste hinterlassen«, sagte Quinn.
    Der Mann blickte langsam zu ihm auf, so als wollte er, daß er verschwinde.
    »Ich möchte eine Nachricht für einen Ihrer Gäste hinterlassen«, sagte Quinn noch einmal.
    »Hier gibt es keine Gäste«, sagte der Mann. »Wir nennen sie Insassen.«
    »Für einen Ihrer Insassen also. Ich möchte eine Nachricht hinterlassen.«
    »Und wer soll das sein, Mann?«
    »Stillman. Peter Stillman.«
    Der Mann tat einen Augenblick so, als dächte er nach, dann schüttelte er den Kopf. »Kann mich an keinen erinnern, der so heißt.«
    »Haben Sie kein Register?«
    »Doch, wir haben ein Buch. Aber es ist im Safe.«
    »Im Safe? Wovon reden Sie?«
    »Ich rede von dem Buch, Mann. Der Boß will, daß es im Safe eingeschlossen wird.«
    »Ich nehme an, Sie kennen die Kombination nicht?«
    »Tut mir leid, die kennt nur der Boß.«
    Quinn seufzte, griff in die Tasche und zog eine Fünfdollarnote heraus. Er klatschte sie auf den Tisch und legte die Hand darauf.
    »Ich nehme an, Sie haben nicht zufällig eine Kopie des Buches, oder?«
    »Kann sein«, sagte der Mann. »Ich muß in meinem Büro nachsehen.«
    Der Mann hob die Zeitung auf, die offen auf dem Tisch ausgebreitet war. Darunter lag das Buch.
    »Glück gehabt«, sagte Quinn und nahm seine Hand von der Banknote.
    »Ja, es scheint, ich habe heute einen guten Tag«, antwortete der Mann, zog die Banknote über die Tischplatte, ließ sie rasch über die Kante gleiten und steckte sie in die Tasche. »Wie war noch einmal der Name Ihres Freundes?«
    »Stillman. Ein alter Mann mit weißem Haar.«
    »Der Herr im Mantel?«
    »Richtig.«
    »Wir nennen ihn den Professor.«
    »Das ist er. Haben Sie seine Zimmernummer? Er ist vor ungefähr zwei Wochen

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