Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
der Übung besserte sich das, aber es brauchte Jahre.
»Derek tötete seinen Vater?«
»Und brannte das Haus nieder.«
»Und die anderen Kinder?«
»Tot. Zwei verhungert, drei der Zuneigung des Vaters erlegen und eins verbrannt. Wir haben die Trümmer abgesucht und die Gebeine beerdigt.«
»Und jetzt gibst du ihn mir? Wieso, Curran? Ich kann keine Verantwortung für ihn übernehmen. Ich kann ja kaum Verantwortung für mich selbst übernehmen.«
Er sah mich sehr verächtlich an. »Derek weiß sich zu beherrschen. Ich dulde keinen Kontrollverlust. Er ist erprobt und wird nicht vom Weg abweichen, wenn er Blut riecht. An deiner Stelle würde ich mir eher mal Sorgen um die eigene Unversehrtheit machen.«
»Tja. Du bist aber nicht an meiner Stelle.« Ich erhob mich. Zeit für den Abgang.
Wir gingen zurück in den Raum, und Curran sagte ein paar Worte zu Mahon und verschwand dann. Mahon kam zu mir. »Ich bringe dich hinaus. Derek kommt auch zum Ausgang.«
»Er soll vorher bitte noch duschen«, sagte ich. »Und sich ordentlich abseifen. Ich will nicht, dass das Volk Blut oder Wolf bei ihm wittert.«
Mahon führte mich einen anderen Weg, als ich gekommen war, durch das Labyrinth matt beleuchteter Korridore, bis zu einer hölzernen Tür. Dann legte er seine Hand darauf, und sie schwang auf.
»Curran will, dass du das siehst, bevor du gehst«, sagte er.
In dem Raum lag auf einem Metalltisch, unter einer mit Konservierungszauber versehenen Glashaube, der Kopf von Sam Buchanan.
Kapitel 5
B etsi wollte nicht anspringen. Ein Werratten-Mechaniker warf einen Blick unter die Motorhaube, murmelte irgendwas von wegen Lichtmaschine und schickte mich zu den Stallungen.
Ehe ich ging, öffnete ich Betsis Kofferraum, schnürte die lange Rolle aus eingeöltem Leder auf, die darin lag, und zog sie auseinander, sodass die Schwerter und Dolche zum Vorschein kamen, die in Lederschlaufen darin lagerten. Der Mondschein versilberte die Klingen.
»Wow«, sagte Derek.
Männer und Schwerter. Mein Vater hatte mal gesagt, wenn man einen beliebigen gesunden, kräftigen Mann in ein Zimmer führen würde, in dem sich ein Schwert und eine Übungspuppe befanden, und ihn dort allein ließe, würde der Mann unweigerlich irgendwann das Schwert ergreifen und die Puppe zu erstechen versuchen. Das war nur menschlich. Und dieser junge Wolf war in der Hinsicht nicht anders.
»Such dir eine Waffe aus.«
»Kann ich jede haben, die ich will?«
»Ja, kannst du.«
Er betrachtete die Besteck-Kollektion mit nachdenklichem Blick. Dann streckte er die Finger in Richtung Bor aus. Es war ein gutes Schwert, zumal für Anfänger, hatte eine achtzig Zentimeter lange Klinge und ein knapp zwanzig Zentimeter langes Eschenholzheft. Die stählerne Parierstange war gerade, mit nach vorne weisenden Spitzen, und es hatte einen schlichten Stahlknauf. Und wie alle Waffen, die ich besaß, war es superb ausbalanciert.
Derek hielt das Schwert empor.
»Ich war mal auf einem Schwertermarkt, und die Schwerter da waren viel schwerer.«
»Es gibt einen Unterschied zwischen Schwertern und schwertähnlichen Gegenständen«, sagte ich. »Was du da gesehen hast, waren wahrscheinlich ganz ordentliche Imitate. Die sehen hübsch aus und sind sehr schwer, und man ist damit so langsam wie eine Schnecke auf Urlaub. Das hier wiegt gerade mal zwei Pfund.«
Derek schwang das Schwert auf geübte Weise.
»Es ist ein Arbeitsschwert«, sagte ich. »Es bricht nicht und schickt nach einem Schlag keine übermäßigen Schwingungen zurück in die Hand.«
»Es gefällt mir«, sagte er.
»Nimm es.«
»Danke.«
Ich schnappte mir meinen Werkzeugbeutel, dann waren wir bereit zum Aufbruch. Derek verzog die Nase. »Ich rieche Benzin.«
»Da riechst du richtig«, erwiderte ich und beließ es dabei. Ihm zu erklären, dass ich immer eine Feldflasche voll Benzin dabeihatte, für den Fall, dass ich Blut vergoss und dieses Blut schnell wieder beseitigen musste, war mir dann doch zu kompliziert.
Das Rudel lieh mir ein Pferd. Es war eine Stute, und sie hieß Frau. Der Stallmeister schwor mir, sie sei zwar nicht das allerschnellste Pferd in seinem Stall, aber gehorsam, stark und verlässlich. Und ich sah keinen Anlass, das zu bezweifeln.
Dereks graubrauner Wallach hatte kein Problem damit, meiner Stute die Führung zu überlassen. Der Junge ritt so steif wie ein einigermaßen geschulter Reiter, der mit Pferden nie so recht warm geworden war. Manche Gestaltwandler ritten, als wären sie Zentauren. Derek
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