Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
zählte offenbar nicht dazu.
Dann ritten wir eine ganze Weile schweigend dahin.
Doch wenn ich mit ihm zusammenarbeiten sollte, mussten wir zumindest miteinander sprechen können. Ich ließ mich zurückfallen und ritt neben ihm her.
»Wieso der Arm?«, fragte Derek.
Er sah zu meiner Brandwunde hinüber. Der Brauch verlangte eigentlich, dass man eine Hand ins Feuer hielt.
»Weil das bei mir nicht so schnell wieder heilt wie bei dir. Und meine Hand brauche ich zum Schwerthalten.«
»Oh. Das war eine dumme Frage.« Er wandte den Blick ab und sah zu der Stadt hinüber. Atlanta lebte sichtlich auf, wirkte erleichtert, von der Magie befreit zu sein, aber auch angespannt, da man wusste, dass diese Atempause nicht lange anhalten würde.
Der Mond schien in der nächtlichen Finsternis, ein schmales Gesicht hinter einem Schattenschleier. Sein zarter Schein, ein Gemisch aus Licht und Dunkelheit, war so gut wie vergeudet und wurde von der hellen Straßenbeleuchtung in Schach gehalten. Elektrische Lichter kennen, wie auch die Sonne, keine Kompromisse. Ihr Schein enthält keine Schatten, keine Doppeldeutigkeiten, keine Andeutung verborgener Tiefen oder Geheimnisse; er ist schlicht und einfach weiter nichts als Licht.
»Ist dir schon mal aufgefallen, wie manche Dinge während der Magie funktionieren, andere aber nicht?«, fragte Derek.
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel Telefone. Manchmal funktionieren sie während der Magie und manchmal nicht.«
Er wollte reden. Wahrscheinlich suchte er nach einer gemeinsamen Grundlage. Es wäre gemein gewesen, sich dem zu entziehen. »Darüber gibt es eine ganze Reihe von Theorien. Eine besagt, dass es von der Intensität der Magie abhängt, welche technischen Apparaturen ausfallen und welche nicht.«
»Und was besagen die anderen?«
Ich grinste. »Die Magie ist nichts Statisches. Sie ist kein in Stein gemeißeltes Gesetzeswerk. Sie durchdringt jeden von uns, und unsere Gedanken und Wahrnehmungen haben wiederum Einfluss auf die Magie. Weißt du, wie mächtig der Papst ist?«
»Ja.«
»Er bezieht seine Macht ausschließlich aus dem Glauben seiner Gemeinde. Unzählige Menschen glauben, er könnte Kranke heilen, also kann er es. Jetzt nehmen wir mal ein Auto. Wie funktioniert das?«
Derek runzelte die Stirn. »Das weiß ich nicht so genau. Es hat einen Motor, der Benzin verbrennt und daraus ein Gas erzeugt. Dieses Gas dehnt sich aus und schiebt irgendwas an, ein Ventil oder so, und das führt dazu, dass sich die Räder drehen. So ungefähr.«
Ich nickte. »Okay, und wie funktioniert ein Telefon?«
Er sah mich an. »Äh. Die Stimme versetzt die Drähte in Schwingungen?«
»Ja, aber wie funktioniert es, dass man eine Nummer wählt und dann die entsprechende Person dran hat? Und was ist, wenn da ein Vogel auf der Telefonleitung sitzt? Schwingt die dann immer noch?«
Derek zuckte mit den Achseln. »Das weiß ich nicht.«
»Ich weiß es auch nicht. Die wenigsten Leute wissen das. Sie mussten sich nie Gedanken darüber machen, wie ein Telefon funktioniert. Es funktioniert halt einfach. Mit Autos ist das anders. Die brauchen viel mehr Pflege und haben viel öfter Funktionsstörungen als so ein Telefon, und die Reparaturen sind auch viel teurer, und daher macht sich jeder Autobesitzer wenigstens bis zu einem gewissen Punkt mit der Funktionsweise seines Autos vertraut.«
»Damit sie ihn in der Werkstatt nicht über den Tisch ziehen«, fügte Derek hinzu.
»Ja. Die Theorie besagt nun: Da so viele Menschen nichts über die grundlegenden mechanischen Prinzipien wissen, die dazu führen, dass Telefone funktionieren, könnte es für sie genauso gut Magie sein. Sie glauben blind daran, dass es funktioniert, und es funktioniert tatsächlich. Autos hingegen werden als Zusammenspiel mechanischer Einzelteile gesehen, die versagen können, daher springen sie nicht mehr an, wenn die Magie kommt.«
»Das ist eine coole Theorie«, sagte er.
»Und sie erschwert leider meine Arbeit ganz erheblich.«
In diesem Moment brandete eine Magieschwankung über uns hinweg. Das elektrische Licht fiel aus, und die Stadt war mit einem Schlag in Dunkelheit getaucht. Als sich meine Augen gerade an den Lichtmangel gewöhnt hatten, kamen wir um eine Ecke und wurden von einer ganzen Reihe von Feenlampen begrüßt. Noch eine Ecke weiter, und wir waren beim Casino.
»Weißt du, wohin wir reiten?«, fragte ich.
»Zum Scheißhaus des Volkes.«
Ich schüttelte den Kopf und gab die Hoffnung auf, mit ihm an meiner Seite
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