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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Menschenfleisch führt zu einer verheerenden hormonellen Reaktion. Gewaltsame Neigungen, Paranoia und sexuelle Gier werden übermächtig, und der Gestaltwandler degeneriert zu einem Loup, einem Psychopathen, der sich jeder um Blut und Sex kreisenden Perversion hingibt, die sich ein Menschenhirn nur auszudenken vermag. Und ein Menschenhirn vermag sich eine ganze Menge auszudenken.«
    Jetzt war ich doch sehr erschöpft. Ich rutschte langsam an der Wand hinab und ließ mich auf dem Boden nieder. Wenn Curran auf mich herabblicken wollte, dann sollte er doch. Mir doch egal. »Ich war in Moses Creek dabei, als die Gilde das Horrorcamp von Sam Buchanan gestürmt hat«, sagte ich.
    Wie ein übereifriger Diener legte mir mein Gedächtnis ein Bild bereit. Der Hof von Buchanans Camp, hinter den Schützengräben, von denen aus sein geistesgestörtes Rudel uns mit Flintensalven eingedeckt hatte. Das herbstliche Gras übersät mit toten Menschen und Loups, ein aufblasbares Kinderplanschbecken – blau mit gelben Entchen – voller Blut und fahlen Eingeweideklumpen, und eine Frau, nackt und blutüberströmt, schwarze Löcher, wo einst die Augen gewesen waren. Mit vor sich ausgestreckten Händen strauchelte sie über die Leichen, suchte blind, hielt sich am Stamm einer Kiefer fest und rief, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern: »Megan! Megan!« Und wir, zwei Dutzend Söldner in voller Kampfmontur, konnten ihr nichts sagen von dem winzigen dunkelhaarigen Leichnam, der in einer Astbeuge eben des Baumes hing, an den sie sich klammerte.
    Ich biss die Zähne zusammen.
    »Böse Erinnerungen?«, fragte Curran.
    »Du hast ja keine Ahnung«, antwortete ich mit heiserer Stimme. Dann fiel mir wieder ein, mit wem ich sprach. »Doch, hast du wahrscheinlich schon.«
    Ich schüttelte den Kopf, versuchte die Erinnerungen abzuschütteln, wie ein Hund sich Wasser aus dem Fell schüttelt. Es war mein dritter Einsatz bei der Gilde gewesen. Ich war damals neunzehn Jahre alt, und immer noch hatte ich sehr lebensechte Albträume davon. Und Buchanan war davongekommen, war in den Wald geflohen, während wir seine Amok laufenden Loups zu Klump schlugen. Wir hatten ihn nicht gefasst. Und das zu wissen war schlimmer als jeder Albtraum.
    Curran beobachtete mich. Ich öffnete den Mund, wollte ihn fragen, warum er nichts gegen diesen tollwütigen Loup unternommen hatte, doch dann fiel mir wieder ein, dass Jackson County dem Rudel verboten hatte, sich einzumischen. Das war nun sechs Jahre her. Heute würden sie das nicht mehr wagen.
    Da mein Mund schon einmal offen war, fragte ich: »Was hat das alles mit Derek zu tun?«
    »Dereks Eltern gehörten einer Splittergruppe der Südlichen Baptisten an. Er war der älteste Sohn und durfte daher zur Schule gehen. Eine Zeit lang zumindest, bis sein Vater noch tiefer in die Religion eingestiegen war. Er erinnert sich, wie er auf dem Hof Bücher verbrannte, Dr. Seuss und Sendak.«
    Ich nickte. Dieser Zug ins Tiefreligiöse war nicht ungewöhnlich. Die Hälfte der Ortschaften im Gebirge hatten ihn angetreten, ehe ihnen dann die Bewegung »Live Life with God« ein neues Lehrgebäude lieferte.
    Curran rieb sich den Hals, sein Bizeps ballte sich unter dem Hemdärmel. »Als der Junge vierzehn Jahre alt war, fuhren sie in ein religiöses Zeltlager, und von dort brachte sein Vater den Lyc-V mit nach Hause.«
    Er setzte sich neben mich. »Er wusste überhaupt nicht, was das war und wie er damit hätte umgehen sollen. Er wusste nicht einmal, dass er Hilfe gebraucht hätte. Es dauerte nur ein paar Tage, dann wurde er zum Loup. Und Loups sind höllisch ansteckend. Dereks Mutter brachte sich um, nachdem sie sich angesteckt hatte, und ließ ihren tollwütigen Mann mit den sieben Kindern allein. Und fünf davon waren Mädchen.«
    Ich musste schlucken. »Wie lange?«
    »Zwei Jahre. Im ersten Jahr töteten sie einen wandernden Werwolf, und bei seiner Leiche fand Derek den Kode. Das und das Hungern haben ihn davor bewahrt, wahnsinnig zu werden.«
    »Und wie ging es aus?«
    »Wie es immer ausgeht. Der Junge wurde zu einem Konkurrenten um die Weibchen, und der Vater versuchte ihn zu töten. Der Junge hat eine gute Bestiengestalt und kann sie aufrechterhalten.«
    Die Bestiengestalt ist die Kriegergestalt, sowohl der Tier- wie der Menschengestalt überlegen. Die meisten Gestaltwandler der ersten Generation hatten große Schwierigkeiten mit dieser Bestiengestalt und waren nicht in der Lage, sie länger als ein paar Sekunden anzunehmen. Mit

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