Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
ist sehr schade um ihr Kleid. Ich mochte es sehr.
Ich ging wieder ins Haus und rief Jim an.
Der Totenkopf sah Jim an. Und Jim sah den Totenkopf an.
»Du kennst vielleicht abgefuckte Leute«, sagte Jim.
»Sie heißt wahrscheinlich Jennifer Ying«, sagte ich. »Ihr Haar wirkt asiatisch. Sie ist eine der vermissten Frauen, auf deren Namen ich in Feldmans Akte gestoßen bin. Der Kopf war noch nicht da, als ich nach Hause kam. Das war so gegen halb fünf heute Morgen.«
Jim roch an dem Kopf. »Sie ist noch frisch. Erst einen Tag tot, höchstens anderthalb«, sagte er. »Du musst Curran anrufen.«
»Er wird nicht auf mich hören. Er glaubt, ich wollte nur ins Rampenlicht.«
Jim zuckte die Achseln. Wir arbeiteten schon lange genug zusammen, um zu wissen, dass es keinem von uns darum ging, berühmt zu werden.
»Du bist ihm ziemlich auf den Zeiger gegangen.«
»Da ist noch was.« Ich führte ihn zur Veranda. Auf einer Plane, die auf dem Boden ausgebreitet war, lag eine Reihe von Menschenknochen.
»Hast du einen Friedhof ausgeraubt?«
»Ich hab mich gefragt, wie er dem Haus so nahe kommen konnte, ohne meine Wehre zu alarmieren, und da habe ich mich mal umgeschaut und das hier gefunden. Er hat sie rund um das ganze Grundstück kreisförmig in den Bäumen angebracht. Das ist eine Art Wehr. Eine sehr alte.«
»Wie alt?«
»Jungsteinzeit. Die Jäger legten damals die Knochen ihrer Beute rund um ihre Siedlungen aus. Die Idee dahinter ist, eine Kette aus Stein, Knochen und Holz zu bilden. Man nutzt den Stein und das Holz, um den Knochen zu erlangen, und das verbindet die drei, und wenn man also den Knochen anschließend dem Stein und dem Holz zurückgibt, bietet einem das Schutz. Er hat sich einen Durchgang erschaffen, damit er in meinem Vorgarten herumlaufen konnte, wann immer er wollte. Dieser Zauberbann ist leicht zu durchbrechen. Man muss nur die Knochen entfernen. Doch leider entdeckt man es erst, wenn man darüber stolpert.«
Ich hob einen Totenschädel auf und gab ihn Jim. Jim nahm ihn und wich fauchend zurück. Seine Augen leuchteten grün auf.
Die Folklore ging zu Recht davon aus, dass ein Gestaltwandler bei seinem Tod in die Gestalt zurückkehrte, in der er geboren war, Mensch oder Tier, doch der Lyc-V nahm an der Struktur der Knochen einige bleibende Veränderungen vor, die im Leben wie im Tode Bestand hatten. Etliche glänzende Streifen des vom Lyc-V geschaffenen Knochengewebes überzogen den Totenschädel an verräterischen Stellen über dem Kiefer und an den Wangenknochen.
»Eine Werratte«, sagte Jim und gab mir den Schädel schnell wieder, so als wäre er glühend heiß.
»Rate mal, wie viele davon ich gefunden habe.«
»Sieben.«
»Und dazu mindestens drei Vampire. Die Gebeine sind nicht vollständig. Einige Knochen fehlen, aber es sind acht Hüftknochen und neun Schädel, und drei davon haben die Fangzähne eines Blutsaugers.«
Jim sah die Knochen an. »Du musst die Vampire woandershin legen.«
»Was?«
»Du musst die Knochen der Vampire woandershin legen«, sagte er aufgebracht.
»Und wieso hilfst du mir nicht dabei?«
»Ich rühr die nicht an.«
Ich seufzte. »Jim, ich bin kein Kriminologe. Ohne eine Lupe und einen M-Scanner kann ich nicht erkennen, welche Knochen zu einem Vampir gehören. Du hingegen erkennst das schon am Geruch.«
Er funkelte mich an, sein Blick wirkte ein wenig irre. »Du sortierst die jetzt, und wenn du Probleme hast, sagst du mir Bescheid.«
Damit marschierte er davon. Ich seufzte und begann, die Knochen zu sortieren.
Ich saß auf meiner Veranda, zwischen zwei Knochenhaufen, und sah zu, wie der Werjaguar in meinem Vorgarten in kleinen Kreisen immer wieder um den Stab herumging, auf dem der verwesende Kopf einer jungen Frau steckte. Ich hatte bei ihr versagt. Ich hatte mir die Beweismittel angesehen, und ich war zu den falschen Schlussfolgerungen gelangt. Aber ich war noch hier und saß auf meiner Veranda, während sie für meine Dummheit bezahlt hatte. Und für meine Arroganz.
Jim ging immer weiter, setzte einen Fuß bedachtsam vor den anderen, schlich im Kreis hinter einer unsichtbaren Beute her. Seine Augen leuchteten gelb, und hin und wieder bebte seine Oberlippe ein wenig, dann sah man seine Reißzähne. Wenn einem diese Katze nicht ins Gesicht gähnte, sah man ihre Reißzähne erst im letzten Moment, bevor sie in einen eindrangen.
»Hör auf. Du taperst noch ein Loch in meinen Garten.«
Jim blieb stehen und funkelte mich an.
Ein dunkler Lieferwagen hielt
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