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Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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retten versuchten, nein, da war nichts als ein einziger, heller, unmenschlicher Schrei, so hoch, daß er selbst gleich einer Waffe Quattrotestes Schädel durchschnitt. – Dann war es still.
    Quattroteste betrachtete das Stilett in seiner Faust.
    Auch wenn das Blut, das nun in dunkler Lache das Leinen schwarz färbte, das Gift fortgewaschen hatte, die Frage blieb, ob sich am Stahl noch Reste hielten.
    Es einfach fallen lassen? Zu schade. Nein, diese Waffe wollte Quattroteste mit nach Hause nehmen. Zur ewigen Erinnerung. Was war sie schon anderes als die Eintrittskarte für ein neues Leben.
    Er hakte die Scheide vom Gürtel.
    Vorsichtig, ganz vorsichtig, und diesmal klopfte sein Herz zum erstenmal nun wirklich hart und schnell, näherte er die Spitze des Stiletts dem kreuzförmigen Metalleinschnitt, der sie aufnehmen würde. Er ahnte eher, als daß er sah. Dann stak das Teufelsding wieder in seiner Sicherung.
    Und dann wurde Quattroteste so schnell wie immer. Die Treppe, der Korridor, das Fenster – und hinaus in die kühle, feuchte Luft des Morgens. Nichts anderes war er als ein Schatten unter anderen Schatten. Der Wald hatte ihn verschluckt.
    Noch einmal sah er zurück.
    In der langen, dunklen Reihe der Fenster flammte ein Licht auf. Jetzt ein zweites. Weitere Lichter bewegten sich hinter den Fenstern.
    Der Schrei hatte die Leute im Haus wachgerüttelt.
    Er lächelte. Er sah ihre erschreckten, vom Schlaf benommenen Gesichter, sah sie über Korridore und Treppen rennen, Kerzen und Leuchter in der Hand, dem Schlafzimmer des Herrn entgegen.
    Sollten sie.
    Bis diese Schlafmützen begriffen, was geschehen war, saß er bereits im Sattel seines Falben.
    Quattroteste lief weiter zurück ins Dunkel des Waldes, so lautlos wie zuvor, doch auf neue Weise beschwingt, denn nun leuchtete ihm bereits der Tag den Weg, nun auch war alles vorüber.
    Er hatte die Kapuze zurückgeschoben. Der Wind kühlte seine Stirne. Er lächelte, nein, kicherte bei dem Gedanken, wie sie im Dorf staunen würden, wenn er dort in seinem Brokat-Wams auftrat. So einen Stoff hatten sie in Gordevio noch nie gesehen. Vielleicht gab es auch die blonde Giulietta noch. Doch sie war sicher längst verheiratet und hatte ein halbes Dutzend Bälger.
    Ein Haus würde er sich bauen. Ein Haus – einen Palazzo! Und vor dem Haus würde er einen Garten anlegen lassen, so wie er ihn gerade gesehen hatte. Mit einem Springbrunnen, jawohl … Und …
    Quattroteste fluchte, stolperte, fiel. Etwas hatte nach seinem Fuß gegriffen, hart und grimmig, wie eine fremde Hand. Er zerrte. Eine Wurzel, was sonst?
    Heilige Mutter Gottes, sei gesegnet! – Quattroteste bekam den Fuß frei. Durch die Stämme hörte er das unruhige Schnauben der Pferde. Dort war die Kutsche. Die Messingbeschläge schimmerten im ersten Licht. Da war auch der Lange mit dem Schlapphut. Er kam ihm bereits entgegen. Quattroteste ging nicht mehr, er schlenderte.
    Er strahlte.
    »Ging alles gut.«
    »Was dachtest du, Kamerad?«
    Er überlegte, ob er ihm das Stilett zeigen sollte und das Blut, das noch am Stahl klebte. Doch er unterließ es.
    In der Kutsche wurde der Vorhang zurückgezogen.
    Undeutlich sah er das Gesicht des Herrn. Nun schob sich der Arm heraus. Die Spitzenmanschette fiel über die Hälfte der Hand. Drei Finger klopften ungeduldig gegen den blaulackierten Schlag.
    Quattroteste drehte sich ihm zu und lachte stolz.
    Der Mann mit dem Schlapphut legte mit einer brüderlichen Geste seine Hand auf Quattrotestes Schulter, so, als wolle er ihn an sich ziehen und umarmen. »Gut gemacht, Kamerad!«
    Quattroteste sah, daß ihm die Schneidezähne fehlten. Vielleicht ließen die Löcher das Grinsen so verzerrt und unnatürlich wirken, wie das eines Höllenhundes? Nein! – Jetzt ahnte er, was nun geschehen würde, wußte es, doch es war ja schon zu spät. Alles war zu spät.
    Der andere, sein Kumpan war hinter ihm aufgetaucht, so nah, daß er den Atem im Nacken spürte.
    Noch einmal wollte Quattroteste sich herumwerfen, da spürte er bereits den Stich. Es tat nicht einmal weh, es war nur heiß, eine Hitze, die durch all seine Glieder bis in die letzten Nervenenden schoß und sich zu einem Feuerrad formte, das ihn mit sich riß.
    So ist das also …?
    Es war der letzte Gedanke, den Quattroteste dachte, ehe ihn das brennende Rad ins Dunkel rollte …
    Es war nur ein einziger Laut – ein heller, spitzer Schmerzensschrei, herausgestoßen aus der Not eines brechenden Herzens. Er drang aus einem offenen Fenster
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