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Stadt der Lügen

Stadt der Lügen

Titel: Stadt der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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irgendetwas zu tun, was meine Identität bewiesen hätte –, aber sie weigerten sich. Familie, Agenten, Ärzte, Anwälte, Freunde – alle wandten sich von mir ab und taten, als wäre ich verrückt. Ich will darüber nicht urteilen, aber man muss sich doch fragen, was ihre Motive dafür waren. Ich bin sicher, ein intelligenter junger Mann wie du könnte ohne viel Mühe eine Erklärung finden. Manchmal ist eine Legende mehr wert, wenn sie tot ist und nicht lebt – verstehst du, was ich meine?«
    Der wissende Seitenblick, den er mir zuwarf, überzeugte mich, dass er genau verstand, was ich ihm zu vermitteln versuchte. Ich antwortete mit einem konspirativen Augenzwinkern.
    »Ich dachte mir, dass du es kapieren würdest«, sagte ich. »Und jetzt weißt du auch, warum ich jemanden wie dich brauche; jemanden mit Einfluss bei einer großer Zeitung. Eine englische Zeitung ist zumindest frei von jeglichem Hang zu dieser Verschwörung, mich möglichst tot zu halten. Die gibt es nur in meinem Land. Sicher verstehst du jetzt, warum ich mich beglückwünsche, dich heute Abend getroffen zu haben.«
    Es stand außer Frage, dass ich ihn mit meinen Enthüllungen ganz schön aufgerüttelt hatte. Er versuchte zu sprechen, aber ihm fehlten die Worte. Er brabbelte etwas, was ich nicht verstand, aber ich konnte sehen, dass er sehr bewegt war.
    »Ich bin froh, dass du Verständnis für die schreckliche Ironie meiner Situation hast«, sagte ich. »Überleg mal, hier sitze ich, der echte Elvis, und bin gezwungen, mir meinen Lebensunterhalt als mein eigener Doppelgänger zu verdienen. Ich muss in zwielichtigen Clubs als Elvis-Imitator auftreten wie heute Abend und finde, die Geschichte nimmt allmählich lächerliche Ausmaße an. Vermutlich habe ich an mehr Elvis-Doppelgänger-Wettbewerben teilgenommen, als du Haare auf dem Kopf hast, ohne je besser abzuschneiden als mit Platz drei. Kannst du das glauben?«
    Mitfühlend brabbelte er noch etwas.
    »Inzwischen habe ich einen Punkt erreicht«, fuhr ich fort, »wo ich tatsächlich nur hier ich selbst sein kann, denn die Leute hier glauben, ich wäre einer von ihnen. Und in einem bin ich dir gleich, Christopher. Ich habe keine Ahnung, ob die Leute hier drin Martini trinkende Gespenster oder irgendwelche dahergelaufenen Niemande sind, die tagsüber als Tankwart arbeiten und nachts und an den Wochenenden als Doppelgänger auf Feiern auftreten. Ist mir eigentlich auch völlig egal. Hier werde ich wie der behandelt, der ich bin, und nicht wie ein Stück Scheiße. Aber ich wünsche mir und sehne mich danach, dass die restliche Welt sich mir gegenüber ebenso verhält. Vielleicht kann ich irgendwann dahin zurückkehren, wo ich rechtmäßig hingehöre, und das beanspruchen, was mir zusteht.«
    Ich sah ihm tief in die Augen und brachte mein Gesicht näher an seines. »Christopher«, sagte ich, »ich glaube, du bist der Mensch, der mich diesem Ziel näher bringen kann.«
    Er nahm einen Schluck aus seinem Glas. Wahrscheinlich zu hastig, denn er verschluckte sich und hustete. Dabei wurde er ganz weiß und sah wirklich nicht gut aus. Ich tätschelte ihm sanft den Rücken.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ich.
    Er nickte schnell.
    »Hör mal zu«, sagte ich und ließ die Hand auf seiner Schulter, um eine gewisse Intimität zwischen uns zu schaffen, die nur uns beide anging. »Ich rede zu dir aus tiefstem Herzen, Christopher. Du kennst doch das Wort ›Sehnsucht‹?«
    Wieder nickte er. Mit meiner freien Hand griff ich nach seinem Handgelenk und drückte es sanft. Gerade genug, um die Ehrlichkeit und Wichtigkeit dessen zu unterstreichen, was ich zu sagen im Begriff stand.
    »›Sehnsucht‹ ist ein wunderschönes Wort«, sagte ich. »Aber auch ein sehr trauriges. Ich sehne mich, Christopher. Ich sehne mich nach dem, was mein ist. Nach dem, der ich war, und nach dem, der ich sein sollte. Auch nach dem, was ich besitzen sollte. Ich sehne mich danach.«
    Ich blickte in seine Augen und glaubte, dort Tränen schimmern zu sehen. Zumindest schien es so. Ich ließ sein Handgelenk los.
    »Sag mal«, fuhr ich fort, »sollten wir nicht vielleicht irgendwo hingehen, wo wir ungestört sprechen können?«
    »Also, ich …« Seine Stimme klang rau. Er schaute auf die Uhr, und ich wusste, was in ihm vorging.
    »Wo wohnst du?«, fragte ich ihn.
    Er nannte den Namen eines Hotels in West Hollywood, gar nicht weit von unserem Aufenthaltsort.
    »Keine Sorge«, erklärte ich, »wir rufen dir gleich ein Taxi nach Hause. Aber zuerst

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