Stadt der Masken strava1
einen Aufruhr unter den Ratsmitgliedern.
»Und wo ist sie dann geboren?«, fragte der Ankläger, obwohl ihm schon schwan
te, wie die Antwort lauten würde.
»Hier in Bellezza«, sagte Gianfranco.
»Euer Gnaden«, sagte der Ankläger, verärgert über den Gang der Dinge. »Das sind neue Informationen. Der Zeuge muss einen Beweis vorlegen. Sonst könnte jeder, der dieses Verbrechens beschuldigt wird, behaupten, in Bellezza geboren zu sein.«
»In der Tat«, sagte die Duchessa. »Habt Ihr einen Beweis, Signor Gasparini?«
»Wenn Euer Gnaden erlauben, dass eine weitere Zeugin gerufen wird, eine Sig
nora Landini, dann kann der Ankläger sie nach Beweisen fragen.«
Die Duchessa nickte und die Zeugin wurde aufgerufen. Arianna hatte keine Ah
nung, wer sie war, genauso wenig offensichtlich wie der Ankläger.
»Bitte sagt Euren Namen, Signora.«
»Maria Maddalena Landini«, erwiderte die Frau, die rundlich und ungefähr sech
zig Jahre alt war.
»Und in welcher Beziehung steht Ihr zu der Gefangenen?«
»Ich war die Hebamme bei ihrer Geburt«, sagte die alte Frau.
»Und wo fand die Geburt statt?«
»Hier in Bellezza, Signore.«
»Und wer war die Mutter?«
Die Duchessa blieb völlig gelassen. Die alte Frau sah stur geradeaus.
»Ich glaube nicht, dass ich das beantworten muss«, sagte sie.
»Euer Gnaden?«, wandte sich der Ankläger an die Duchessa.
»Die Eltern des Kindes stehen nicht zur Debatte«, sagte diese, »nur ihr Geburts
ort. Wenn dieser Bellezza ist, wird die Klage abgewiesen.«
»Was geschah nach der Geburt des Kindes?«, fragte der Ankläger.
»Ich zeigte sie ihrer Mutter, einer Dame von Stand«, erwiderte Signora Landini,
»und sie bat mich das Mädchen zu einem Paar auf Torrone zu bringen, das sich bereit erklärt hatte sie aufzuziehen.«
»Und das habt Ihr auch gemacht?«, wollte der Ankläger wissen, dessen Stimme jetzt laut wurde.
»So ist es«, sagte die Signora. »Ich brachte das Kind noch in derselben Nacht zu einer Familie namens Gasparini nach Torrone. Die Mutter entlohnte mich üppig und damit war für mich der Fall erledigt.«
Nun griff die Duchessa ein. »Es erscheint mir offensichtlich, dass hier ein Verse
hen vorliegt. Es gibt eindeutig keinen Grund zur Anklage. Übergebt die Gefange
ne ihrem Pflegevater.«
Hochgestimmt kehrte die Duchessa von der Gerichtsverhandlung zurück. Lucien hatte mit Rodolfo in ihren Gemächern gewartet, bis die Ratssitzung abgeschlos
sen war.
»Wie geht es Arianna?«, fragte Lucien. Es war ein schreckliches Erlebnis gewe
sen, sie in dem Kerker des Palastes zu besuchen, obwohl sie es ganz bequem zu haben schien.
»Sie ist frei und munter, hoffe ich«, sagte die Duchessa. »Gianfranco wird sie zu ihrer Tante zurückgebracht haben, nehme ich an.«
»Darf ich sie besuchen?«, fragte der Junge.
»Solange der Haftbefehl gegen dich noch läuft, wäre es nicht sicher, auf die Straße hinauszugehen«, sagte Rodolfo.
»Ich werde den Haftbefehl aufheben«, entschied die Duchessa. »Ich kann sagen, nachdem eine der Klagen abgewiesen wurde, sind Zweifel an der Berechtigung der zweiten aufgetreten. Geh durch den Gang zu Rodolfo zurück und ich werde Arianna eine Botschaft zukommen lassen, sobald die Gefahr vorüber ist. Dann könnt ihr euch ohne Angst besuchen.«
»Aber denk bitte daran, noch einmal hierher zu kommen, ehe du in deine Welt zurückreist«, sagte Rodolfo.
Lucien fühlte, wie ihm eine Zentnerlast vom Herzen fiel. Und jetzt sah er die Du
chessa in anderem Licht. Seit er wusste, dass sie Ariannas Mutter war, suchte er nach Ähnlichkeiten. Und wenn die Duchessa guter Laune war, war sie in der Tat wie ihre Tochter, voller Humor, der ansteckend wirkte.
»Nun geht aber, alle beide«, sagte sie jetzt. »Ich muss mich noch um andere wichtige Dinge kümmern.«
Enrico lief pfeifend am Kanal entlang. Er hatte eine weitere, sehr nützliche In
formation erhalten. Sein Freund Giuseppe, der Spitzel der Duchessa, hatte noch einen Freund, einen auf Merlino. Der kannte den Kunsthandwerker, der den Glas
salon der Duchessa ausgestattet hatte. Und entlang dieser zerbrechlichen Glie
derkette aus Informanten war ein Silberschatz in eine Richtung geflossen, der allmählich abnahm, während er von Hand zu Hand weitergegeben wurde, und Information kam zurück, die ständig anwuchs, während sie von Mund zu Mund weitergesagt wurde.
Und nun kannte Enrico den Konstruktionsplan der Spiegel im Saal der Herzogin!
Er war kurz davor, ein Vermögen zu
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