Stadt der Sterne strava2
Erfahrung mit Pferden hatte.
»Wir haben eines hier, vor dem du keine Angst haben müsstest, was, Cesare?«, sagte er und schlug Lucien auf die Schulter. »Lasst ihr noch ein paar Wochen und sie würde dich tragen, wohin du willst. Du müsstest dich nicht vor Mauern und Zäunen fürchten. Ein junger Mann wie du braucht doch ein Pferd. Sonst kannst du ja nicht hinter der Kutsche deiner Angebeteten herreiten. Oder ihr Geschenke aus der Stadt holen!«
»Ich wohne in Bellezza«, sagte Lucien. »Da gibt es keine Pferde.«
»Ach so, das ist der Grund«, sagte Roderigo. »Aus der Stadt der Schönheit nach Remora zu kommen ist ein wenig so, als müsste ein Bauernjunge zur See fahren.
Du brauchst eine Weile, bis du zurechtkommst. Aber wir kriegen dich schon noch zum Reiten, bevor du wieder gehst.«
Sie kamen an einem rustikalen Gebäude vorbei, in dem Roderigo offensichtlich wohnte, und betraten dahinter etwas, das eine Art alter Scheune war. Vor der Tür saß einer der Stallknechte Roderigos auf einem Heuballen und bearbeitete ein Stück Holz mit seinem Messer.
»Alles klar, Diego?«, fragte Roderigo, während sie eintraten.
»Ja, alles ruhig«, sagte der Bursche. Er war wie alle, die Wache schieben müssen, etwas gelangweilt.
In der Scheune war es dunkel und staubig. In den Schatten im Hintergrund wieherte ein Pferd. Georgia ging darauf zu. Während sich ihre Augen an das Zwielicht gewöhnten, konnte sie undeutlich eine schöne graue Stute ausmachen.
»Hallo, Sternenlicht«, sagte Cesare liebevoll und die Stute, die ihn erkannte, hob den Kopf.
»Die ist aber schön«, sagte Georgia, die an dem Abend, als sie das geflügelte Fohlen gesehen hatte, die Mutter kaum beachtet hatte. Selbst Lucien konnte sehen, dass es sich um ein außergewöhnliches Tier handelte.
»Warte nur, bis du ihr Fohlen siehst«, sagte Roderigo stolz. »Komm schon, Mädchen, du kannst uns vertrauen.«
Es kam Georgia so vor, als ob die Stute etwas zögerte und sie und Lucien genau ansah, als wolle sie prüfen, ob sie in freundlicher Absicht kämen. Bei Cesare und Roderigo hatte sie offenbar keine Bedenken. Dann rückte sie ein wenig zur Seite und Georgia zog die Luft ein. Lucien und sie wussten ja, weswegen sie gekommen waren, aber der Anblick war dennoch überwältigend, auch wenn es für Georgia schon das zweite Mal war. Lucien wollte seinen Augen nicht trauen und blieb wie gebannt stehen.
Das schwarze Fohlen war wunderschön und die Umrisse des Jungtiers waren noch weich und nicht so ausgeprägt. Doch auf seinem Rücken lag zusammengefaltet ein Paar glänzend schwarzer Schwingen – Flügel wie aus dem Märchen.
Selbst Cesare war von neuem beeindruckt.
»Wie sie gewachsen ist!«, rief er aus. »Vater hat Recht gehabt. Er hat gesagt, dass die geflügelten schneller wachsen als normale Pferde.«
Die Flügel waren im gleichen Maße mitgewachsen und ihre Federn waren nicht mehr so flaumig wie bei der Geburt. Während die Besucher um sie herumstanden, hob Merla ihre Schwingen an und breitete sie mit der gleichen Natürlichkeit aus, wie sie ihren Hals reckte. Es war ein unvergesslicher Anblick.
»Wie lange noch, bis sie fliegen kann?«, flüsterte Cesare.
»Nicht mehr lang«, sagte Roderigo. »Aber wir können ja nur nachts mit ihr hinaus. Wir können nicht riskieren, dass jemand sie sieht.«
»Ich nehme dich mit«, sagte Gaetano zu Falco. »Du bist schon zu lange in dem Palazzo hier eingesperrt gewesen.«
»Wie willst du das machen? Ich kann doch nicht reiten.« Hinkend entfernte er sich ein paar Schritte, damit der Bruder sein Gesicht nicht sah.
»Du kannst doch vor mir aufsitzen«, sagte Gaetano sanft. »Das macht dir ja wohl nichts aus? Wir könnten in den Ort reiten und unseren Laden besuchen.«
Falco hatte plötzlich unbändiges Verlangen, etwas zu sehen, was außerhalb des großen Palastes lag. Die Hoffnung, die er seit seinem Unfall tief in sich begraben hatte, regte sich wieder, ganz gegen seinen Willen. Vielleicht würde er eines Tages doch ein fast normales Leben führen können? Zumindest konnte er mal einen Anfang machen, indem er mit seinem großen Bruder ausritt.
»Na gut«, sagte er und wurde mit dem breiten, schiefen Grinsen belohnt.
Enrico ließ sein Pferd im Schritt durch die abgelegeneren Straßen von Santa Fina gehen. Er hatte gesehen, wo die jungen Männer aus dem Widder abgebogen waren, und er zweifelte nicht daran, dass es leicht sein würde, ihre Spur zu verfolgen. Sein rastloser Geist war bei der heutigen
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