Stadt der Sterne strava2
schüchterne Junge, den sie kannte, sondern ein wohlhabender Höfling, der bereit war, es den unheimlichen Chimici gleichzutun.
»Die Duchessa würde deine Musik liebend gerne hören, das weiß ich«, fuhr Lucien fort. »Ich bin Schüler ihres Stellvertreters und Vaters, des Regenten Senator Rossi, und ich bin sicher, er würde meine Einladung gutheißen.«
Der Harfner erhob sich und die junge Frau nahm ihm den Ring ab.
»Ich danke Euch beiden«, sagte er zu Gaetano und Lucien. »Aber ich spiele für niemand außer für mich selbst. Ruhm und Geld bedeuten mir nichts.«
Cesare blickte viel sagend auf die Samtmütze, doch Aurelio konnte seinen Blick nicht sehen. Denn als er keinen von ihnen richtig ansah, begriffen sie erst, dass seine dunkelblauen Augen blind waren. Er streckte die Hand nach der jungen Frau aus, die sich bereitmachte, ihn vom Platz zu fuhren. Sie hatte Cesares Blick mitbekommen und legte den Finger auf die Lippen.
Georgia begriff sofort, dass Aurelio von der Sammlung nichts wusste und dass die junge Frau – seine Schwester? seine Gefährtin? – nicht wollte, dass er es erfuhr.
»Geht noch nicht fort«, sagte Gaetano. »Ich wollte euch nicht verletzen. Wollt ihr nicht wenigstens mit in den Palast kommen und eine Erfrischung zu euch nehmen?«
Aurelio schwieg, doch er wandte den Kopf der jungen Frau zu, als wolle er ihre Meinung erfahren.
»Es gibt weniger weit entfernte Gelegenheiten für eine Erfrischung«, sagte Lucien bestimmt. »Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ihr meine Gäste wärt.«
Er wusste nicht, warum er sich so zu dem Musiker hingezogen fühlte, aber er wollte nicht zurückstehen und sehen, wie die Chimici ihn entführten.
Lucien und Gaetano standen neben dem blinden Musiker und seiner Helferin und starrten sich finster an. Falco war auch hinzugehumpelt und zusammen mit Ce
sare und Georgia bildeten die jungen Leute einen ziemlichen Knotenpunkt mitten auf dem Platz.
»Ich würde gerne etwas essen und trinken, Raffaela«, sagte Aurelio.
Raffaela hatte das Silber und den Ring von Gaetano in eine Börse an ihrem Gür
tel gesteckt und gab Aurelio jetzt seine Mütze in die Hand.
»Dann lass dich doch von einem dieser freundlichen Herren einladen«, erwiderte sie.
»Ich wäre glücklicher, wenn sie es gemeinsam täten«, sagte Aurelio. »Wenn zwei rivalisierende Bewerber den gleichen Preis erhalten, werden sie vielleicht Freun
de.« Er drückte sich die Samtmütze auf das schwarze Haar und merkte nicht, welchen Effekt seine Worte hatten.
»Also, das ist etwas, das sieht man sonst nur, wenn ein Papst stirbt«, sagte Enri
co zu seinem neuen Freund. »Nur alle Schaltjahre.«
»Was?«, fragte Diego.
»Die Widder und zwei von der Jungfrau gehen zusammen ihres Weges«, sagte Enrico. »Auch wenn sie ehrlich gesagt nicht gerade fröhlich dabei aussehen.«
»Das liegt sicher an der Musik«, meinte Diego. »Aber Widder und Jungfrau sind doch nicht verfeindet, oder?«
Enrico schnaubte verächtlich, »Man merkt, dass du nicht in der Stadt wohnst.
Fische und Waage sind vielleicht ihre echten Feinde, aber Bellezza und die Jung
frau verkehren nicht und die da drüben sind aus Bellezza. Den Lockenkopf habe ich selbst in der Lagunenstadt gesehen – er ist ein Liebling der neuen Duchessa.«
Diego wollte sich nicht so leicht ausstechen lassen. »Und die von der Jungfrau sind di Chimici – Söhne des großen Herzogs persönlich!«
Es hatte sich gelohnt; Enrico zuckte zusammen. »Tatsächlich?«, sagte er schnell und fasste sich wieder. »Was für ein Zufall! Ich selbst arbeite ja für den Herzog.
Wie heißen denn die jungen Prinzen?«
»Diese beiden sind keine richtigen Prinzen und werden auch wohl keine Fürsten«, sagte Diego. »Zumindest nicht mit Fürstentümern. Ihre Titel sind nur Formsache.
Gaetano ist Student an der Universität von Giglia und der arme kleine Falco –
tja, wer weiß schon, was aus ihm wird? Noch vor zwei Jahren hätte er alles wer
den können.«
»Ist das der Kleine mit den Krücken?«, fragte Enrico. »Was ist mit ihm passiert?
Komm, ich bestell uns noch mal was.«
Enrico hatte einen untrüglichen Spürsinn dafür, wann er seine Opfer laufen las
sen konnte und lieber Informationen ansammelte, die er später noch brauchen konnte.
Und wenn er die Gruppe in der Taverne beim großen Schausaal hätte sehen kön
nen, wäre er vollends sicher gewesen, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Keiner sagte ein Wort. Lucien und Gaetano
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