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Stadt, Land, Kuss

Stadt, Land, Kuss

Titel: Stadt, Land, Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Woodman
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Das Geschrei erinnert an eine Versammlung von Marktschreiern in einer Bibliothek. Ich drehe mich um und sehe die Fox-Giffords am Tresen der Schwester. Hastig schlüpfe ich durch die Tür außer Sicht.
    »Seine Verlobte?«, fragt Sophia. »Unser Sohn hat keine Verlobte.«
    »Beim letzten Mal hat er sich ordentlich die Finger verbrannt«, ergänzt der alte Fox-Gifford, in Anbetracht der Umstände eine eher unangemessene Bemerkung, finde ich. »Der heiratet nie wieder.«
    »Außerdem«, fügt Sophia hinzu, »würde er zuerst mit uns darüber reden. Sie könnte ja eine Goldgräberin sein, und wir müssen unseren Besitz schützen.«
    »Wirklich?«, sagt Debbie zweifelnd. »Sie klang aber ziemlich überzeugend.«
    »Ach ja?«, erwidert der alte Fox-Gifford scharf. »Und wer, bitte schön, ist sie?«
    »Maz, natürlich. Die Tierärztin aus dem Otter House. Beim ersten Mal habe ich sie nicht gleich erkannt, aber jetzt ist es mir wieder eingefallen. Meine Katze war bei ihr wegen der Wiederholungsimpfung.«
    Ich verspüre leise Gewissensbisse, weil ich mich weder an Debbie noch an ihre Katze erinnern kann, doch ich habe so viele Menschen kennengelernt, seit ich in Talyton bin, dass ich mir unmöglich jedes Gesicht merken konnte.
    »Was?« Der alte Fox-Gifford faucht wie eine verletzte Katze. »Die Schlampe, die dafür verantwortlich ist, dass Alexander jetzt hier liegt? Wenn ich die in die Finger kriege, werde ich … ich werde …«
    »Beruhige dich, Schatz«, sagt Sophia. »Nicht vor den Kindern. Ohne Madge hätte Alexander Liberty niemals rechtzeitig in die Klinik bringen können.«
    »Wir müssen Liberty holen, damit sie Daddy auch besuchen kann«, meldet sich eine Kinderstimme zu Wort, und ich fühle mich noch zehnmal schuldiger als vorher. Ich bin nicht der einzige Mensch auf der Welt, der leidet. Wenn Alex stirbt, haben seine Eltern einen Sohn verloren, und seine Kinder werden, genau wie ich damals, lernen müssen, wie es ist, ohne Vater aufzuwachsen. Und wahrscheinlich würden sie dann auch ihre Großeltern nicht mehr sehen.
    »Ich glaube nicht, dass es Liberty hier drinnen gefallen würde, Liebes«, meint Sophia. »Sie würde sich furchtbar erschrecken.«
    »Können wir jetzt zu Daddy gehen?«
    Meine Panik wächst. Wenn die Fox-Giffords mich hier erwischen, werden sie mich rauswerfen lassen. Ich suche nach einem Versteck – ich könnte unter ein Bett kriechen, mich hinter einer Reihe von lebenserhaltenden Apparaten zusammenkauern, einen Stuhl hinter einen Vorhang ziehen und draufsteigen … Ich überlege gerade, ob ich vielleicht auf einen leeren Rollwagen klettern und ein Laken über mich ziehen soll, als ich Debbie sagen höre: »Nur einen Moment, bitte, Mr und Mrs Fox-Gifford. Würden Sie noch einen Moment hier warten, während ich seine Parameter kontrolliere?«
    Mit durchgedrücktem Rücken kommt sie steif auf die Station marschiert, wirft mir einen vernichtenden Blick zu und deutet auf den Abfallentsorgungsraum.
    »Ich sage ihnen, dass Sie schon weg sind. Sie müssen an mir vorbeigegangen sein, als ich telefoniert habe«, erklärt sie.
    Der Entsorgungsraum ist nicht gerade der angenehmste Warteplatz, aber ich kann durch das Bullauge in der Tür schauen und vereinzelte Gesprächsfetzen der Fox-Giffords aufschnappen. Sie haben zwei Kinder dabei, das Mädchen, das bei der Landwirtschaftsschau vom Pony gefallen ist, und einen kleinen Jungen mit schwarzen Locken und einer grünen Latzhose, der kaum laufen kann.
    Sophia hebt den Jungen auf Alex’ Bett. »Sag deinem Vater hallo, Sebastian.«
    »Hallo, Daddy.« Sebastian streckt eine Hand aus und greift nach dem Schlauch in Alex’ Nase. Gerade noch rechtzeitig fängt Sophia seinen Arm ab und drückt den Kleinen an ihre Brust. »Schläft Daddy?«, fragt Sebastian mit großen, neugierigen Augen.
    »Er schläft nicht«, antwortet das Mädchen. Es drückt sich gut aus und klingt etwas altklug. »Er liegt im grünlichen Koma.«
    »Das heißt künstliches Koma, Schatz.« Sophia tupft sich einen Augenwinkel.
    »Wach werden, Daddy«, sagt der Junge fröhlich, als sei das Ganze bloß ein Spiel.
    »Es dauert noch ein bisschen, ehe er wieder aufwacht«, erklärt Sophia.
    »Ist er denn zum Abendessen wieder wach?«, fragt das Mädchen. Ich höre den veränderten Klang seiner Stimme. »Er stirbt doch, wenn er kein Abendessen bekommt, nicht wahr?«
    »Wir müssen abwarten, was passiert …« Sophias Stimme verklingt.
    »Vielleicht wacht er nie wieder auf«, meint der alte

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