Stadt, Land, Kuss
Schwanz, bis dieser wie eine prächtige Flaschenbürste aussieht, und schneidet ihm die Krallen.
Unglücklicherweise teilt Cheryl unsere Begeisterung über Blueboys neue Frisur nicht, als sie kommt, um ihn abzuholen.
»Oh, was haben sie dir angetan, mein armer Schatz?« Sie reißt ihn in die Arme, und er schlägt mit der Pfote nach einem ihrer Ohrringe, der daraufhin an ihrem Ohrläppchen vor- und zurückschwingt, während sein Gegenstück vor Zorn zittert; und ich muss zugeben, dass auch meine Knie vor Angst beinahe zu zittern beginnen, als ich Blueboy noch einmal genauer mustere: Auf den zweiten Blick ist mein Werk nicht mehr so großartig, wie ich dachte. Es ist sogar ziemlich scheußlich geraten. Eindeutig stümperhaft. Zusammen mit Blueboys Fell ist auch sein herrschaftliches Gebaren im Abfalleimer verschwunden, und die männlichen Attribute unter seinem Schwanz sind in ihrer vollen Pracht zu sehen.
Cheryl starrt mich an. Wie Blitze schießen ihre Blicke durchs Sprechzimmer. »Ich habe Ihnen vertraut!«
»Sein Fell ist jetzt viel leichter zu pflegen«, entgegne ich so optimistisch wie möglich.
»Er hat doch gar kein Fell mehr. Und warum sieht er so benebelt aus?«
»Das ist nur das Betäubungsmittel – die Wirkung verfliegt innerhalb der nächsten Stunden.«
»Sie haben ihn betäubt? Der alte Fox-Gifford hat ihn immer geschoren, ohne ihn unter Drogen zu setzen.«
Was hat er denn stattdessen benutzt? Eine Zwangsjacke? Aber ich beiße mir auf die Zunge.
Cheryl funkelt mich wütend an, und ich weiche einen Schritt zurück. Der unangenehme Geruch von unkastriertem Kater verbreitet sich im Raum.
»Es tut mir leid, wenn Blueboys Haarschnitt nicht Ihren Erwartungen entspricht, aber das Fell wächst ja wieder nach.«
»Und bis dahin ist er das Gespött der gesamten Züchterszene. « Cheryl stopft ihn zurück in seine Transportbox. »Allmählich bezweifle ich, dass Sie wirklich eine richtige Tierärztin sind.«
»Natürlich bin ich das. Allerdings habe ich nicht sechs Jahre studiert, um anschließend Tiere zu frisieren.«
»Ich frage mich, ob Sie während Ihres Studiums überhaupt etwas gelernt haben. Ich habe Saffys Wunde einer Freundin gezeigt, die seit über fünfzig Jahren Perser züchtet, und sie hat gesagt, so etwas wäre ihr noch nie untergekommen. Die Narbe sieht aus, als hätten Sie sie von vorn bis hinten aufgeschlitzt.«
»Ich fand die Narbe nicht ungewöhnlich«, springt Izzy mir zur Seite, aber Cheryl beachtet sie gar nicht.
»Und sie ist gar nicht gut verheilt – sie ist noch immer rot und wulstig.«
»Saffy wird schon keine Komplexe wegen ihrer Bikinizone bekommen«, sage ich, doch im gleichen Moment wünsche ich, ich hätte den Mund gehalten. Cheryl ist wie eine wütende Katze – man muss behutsam mit ihr umgehen, denn man weiß nie, wann sie wieder zuschlägt. »Sie können sie gerne wieder herbringen, dann schaue ich mir die Narbe noch einmal an.«
»Sie glauben doch nicht, dass ich jemals wieder einen Fuß in diese Praxis setze!« Cheryl stürmt hinaus in den Empfangsbereich, wo alle Stühle besetzt sind (so, wie ich es seit meiner Ankunft im Otter House gehofft habe, aber warum musste mein Wunsch ausgerechnet heute in Erfüllung gehen?), und funkelt Frances an. »Wo ist das Formular, das ich heute Morgen unterschrieben habe, ehe ich meinen armen Kater hier allein gelassen habe und Ihre Tierärztin sein Leben ruiniert hat? Diese Mörderin« – bei diesem Wort geht ein Raunen des Entsetzens durch die Schar der wartenden Tierhalter – »hat seine Karriere zerstört. Wir wollten ihn dieses Jahr zur nationalen Zuchtschau anmelden. Ich kenne eine der Wertungsrichterinnen, und sie sagte, er hätte beste Aussichten auf den Sieg. Das hätte unsere Zucht endgültig landesweit bekannt gemacht!«
Frances blättert durch einen Stapel Papier neben dem Computer – hauptsächlich Zeichnungen von Strichmännchen und Strichhunden, wie mir auffällt. Ruby sitzt in einem Buggy festgeschnallt hinter dem Tresen und lutscht abwechselnd an einem Grissini und einem Bleistift.
»Wo ist es, Frances? Wo ist die Einverständniserklärung? « Mein Nacken beginnt zu kribbeln, als krabbelte eine Tarantel langsam über meine Haut. »Ich kann mich nicht daran erinnern, sie gesehen zu haben?« Mir wird immer mulmiger zumute.
»Ich habe sie unterschrieben«, beharrt Cheryl mit schriller, unüberhörbarer Stimme. »Allerdings habe ich Ihnen nicht erlaubt, ihn unter Drogen zu setzen und sein ganzes Fell
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