Stadt, Land, Kuss
dachte, das hätte ich seit meinen Studienzeiten hinter mir gelassen. Und für all das gebe ich Alex die Schuld.
»Ich wünschte, Sie würden endlich aufhören, sich hier herumzutreiben und so zu tun, als würden Sie mich mögen«, schimpfe ich. »Das ist doch auch nur wieder ein Trick.«
»Ein Trick?« Alex runzelt die Stirn. »Was meinen Sie?«
»Sie und Ihre Familie haben doch nichts anderes im Sinn, als das Otter House zu ruinieren. Sie haben Emma das Leben zur Hölle gemacht, und jetzt bin ich an der Reihe.«
Alex’ Augen verdunkeln sich, und ich wünschte, ich wäre nicht so schroff gewesen.
»Sprechen Sie von der Gülle? Damit hatte mein Vater nichts zu tun. Er hat vielleicht hier oder da eine Flasche Malt verschenkt, um die Entscheidungen gewisser Leute, die sich mit gewissen Bauanträgen befassen, in die gewünschte Richtung zu lenken, aber Sachbeschädigung? Auf keinen Fall.« Die Hände in den Taschen vergraben geht er ein paar Schritte im Kreis, und einen Moment lang denke ich, er würde geradewegs hinausgehen, doch dann bleibt er stehen und sieht mich an.
»Wir stecken gerade in einer schwierigen Phase. Viele unserer Bauern – Familien, die hier seit Jahren Land besaßen – haben ihre Höfe verkauft, und die, die noch da sind, können es sich nicht mehr leisten, alle fünf Minuten den Tierarzt zu rufen. Sie sparen an den Routinebehandlungen und holen uns nur noch, wenn es gar nicht mehr anders geht. Das ist nicht nur für uns in Talyton Manor ein Problem. Das Wohl der Tiere steht auf dem Spiel, und für viele bedeutet diese Situation eine persönliche Katastrophe.«
»Ich verstehe.« So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Ich komme mir vollkommen ahnungslos vor.
»Mein Vater ist krank. Die Praxis ist für ihn nicht nur ein Beruf. Sie ist sein Leben, und er wird alles tun, um sie zu beschützen.« Alex sieht mich an, wie wenn er mich für etwas beschränkt halten würde.
»Aber dieses mangelnde Verständnis für unsere Probleme hier auf dem Land ist genau das, was ich von Städtern wie Ihnen erwarte.«
»Es tut mir leid.« Ob es mir peinlich ist? Das wäre untertrieben. Ich schäme mich in Grund und Boden. »Glauben Sie mir, es tut mir wirklich sehr leid.«
»Entschuldigen Sie sich nicht. Eigentlich gefällt es mir ganz gut, wenn Sie eklig zu mir sind«, sagt Alex schelmisch. Er wendet sich ab und öffnet erneut Tripods Käfig. »Um noch einmal auf den Kater zurückzukommen, ich habe heute Morgen als Erstes Gloria Brambles angerufen. Sie konnte mit der Beschreibung, die ich ihr gegeben habe, nichts anfangen. Es ist also keine von ihren Katzen.« Er zögert. »Sie hatten gedacht, ich hätte es vergessen, stimmt’s? Trotz allem, was Emma Ihnen erzählt hat, bin ich nicht durch und durch schlecht.«
»Wenn Sie tatsächlich so ein guter Mensch sind, wie Sie behaupten, warum nehmen Sie Tripod dann nicht selbst auf?«, schlage ich vor.
»Wir haben schon zu viele Katzen auf dem Gut. Meine Mutter wollte einer Freundin einen Gefallen tun und hat ihr zwei kleine Kätzchen abgenommen. Zwei Weibchen. Den Rest können Sie sich denken. Ehe ich sie kastrieren konnte, lag ein Wurf Junge im Schuppen zwischen den Krockettoren und ein zweiter auf der Truhe, in der meine Mutter ihre alten Pferdedecken aufbewahrt. Ein paar der Jungen haben wir behalten und den Rest an den Tierschutzverein weitergegeben, zusammen mit Gutscheinen für eine Gratiskastration.« Alex streichelt Tripod ein letztes Mal und schließt die Käfigtür. Ich gebe es zwar nicht gern zu, aber er kann großartig mit seinen Patienten umgehen. »Ich gehe jetzt besser nach Hause und lasse die Hunde raus.« Alex hustet – kein bellendes Husten wie ein Hund mit Zwingerhusten, sondern eher ein nervöses Hüsteln. »Übrigens, heute Abend gibt es einen Vortrag in einem der Hotels an der Straße nach Exeter. Es geht um die Behandlung von Herzinsuffizienz, das könnte ganz nützlich sein. Wenn Sie wollen, nehme ich Sie mit, Sie kennen sich hier in der Gegend ja nicht so gut aus.«
»Danke, aber das ist kein Problem. Ich habe ein Navigationsgerät. « Ich mache eine kurze Pause. »Gehen Sie nicht mit Eloise hin?«
Alex runzelt kurz die Stirn.
»Nein, sie ist schon da«, antwortet er. »Ihre Firma sponsert den Vortrag – Eloise organisiert die Veranstaltung. Kommen Sie schon, Maz. Ich bestehe darauf.«
Warum eigentlich nicht? Es ist ja keine große Sache. Nicht wie ein Date oder so etwas. Allmählich verstehe ich, was Emma meinte, als sie
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