Stadt, Land, Kuss
abzuscheren.«
»Frances?«
Frances räuspert sich, setzt ihre Brille auf und nimmt sie wieder ab. »Hier ist alles ein bisschen in Unordnung geraten«, sagt sie schließlich. »Ruby hat mir geholfen, die überflüssige Werbepost zu schreddern, und als Nächstes habe ich sie dabei erwischt, wie sie allein weitergeschreddert hat. Ich verspreche Ihnen, dass so etwas nicht wieder vorkommt. Es waren außergewöhnliche Umstände.«
Sicher, denke ich, und würde ihr gerne glauben. Aber ich habe genug Erfahrung mit der menschlichen Natur gesammelt, um zu wissen, dass außergewöhnliche Umstände dazu neigen, sich zu wiederholen.
»Warten Sie, verstehe ich das richtig?«, mischt sich Cheryl ein. »Sie haben einen Fehler gemacht, und jetzt haben Sie auch noch den Beweis dafür geschreddert? Ich bezahle keinen Penny für diese grässliche Behandlung. Sie – ja, Sie, Maz – sind vollkommen unfähig. Ich gehe mit meinen Tieren ab sofort wieder ins Talyton Manor. Im Gegensatz zu Ihnen wissen die Fox-Giffords ganz genau, was sie tun.« Sie holt tief Luft und fährt fort: »Ich werde mich mit meinem Anwalt in Verbindung setzen. Sie haben meine Babys misshandelt. Ich werde Ihnen die Zulassung entziehen lassen. Und mehr noch, ich werde dafür sorgen, dass die ganze Stadt davon erfährt.« Wütend drückt sie gegen die Tür, doch die bewegt sich nicht.
Ich deute auf das Schild über dem Türgriff. »Sie müssen ziehen.«
Als sie fort ist, gehe ich nach hinten, um mich von Izzy wieder etwas aufrichten zu lassen. Sie hat Blueboys Fell aus dem Abfalleimer geholt, es auf den Tisch gelegt und mit ausgeschnittenen Augen und einer Zunge verziert.
»Als ich gehört habe, was draußen los war, habe ich es aus dem Abfall geholt – vielleicht sollten Sie es als Beweismittel behalten«, erklärt sie. »Ich hätte Frances nach der Einverständniserklärung fragen müssen, als sie das Formular nicht zusammen mit der Katze reingeschickt hat, doch ich dachte …«
»Ich auch. Es war meine Schuld.« Ich atme tief durch. »Na ja, so schlimm ist es auch wieder nicht. Immerhin ist niemand gestorben.«
»Aber wenn Cheryl sich beim Royal College beschwert, können Sie Schwierigkeiten bekommen, Maz.« Izzy sieht mich mit verschränkten Armen an, und ich habe den Verdacht, dass sie nicht unbedingt auf meiner Seite steht.
»Ich weiß«, antworte ich und sehe mich schon vor der Disziplinarkommission.
»Emma kontrolliert jedes Mal, ob die Einverständniserklärung vorliegt, bevor sie einen Patienten auch nur anfasst«, sagt Izzy vorwurfsvoll, und ich fürchte, dass es lange dauern wird, bis ich diesen Fehler in ihren Augen wiedergutgemacht habe.
Ich hätte vorsichtiger sein müssen, vor allem, weil ich wusste, wie besorgt Cheryl um ihre »Babys« ist. Sogar als sie kam, um Blueboy abzuholen, wäre es noch nicht zu spät gewesen, um die Katastrophe abzuwenden. Emma hätte sie gewarnt, ehe sie den Kater zu Gesicht bekam, und sich höflich entschuldigt.
Ich wünschte, Emma wäre hier, aber das ist sie nicht, und es ist an mir, die Angelegenheit möglichst schnell und ohne Aufhebens aus der Welt zu schaffen, bevor ganz Talyton davon erfährt. Ich beschließe, als Erstes zu Cheryl zu gehen und ihr von meinem eigenen Geld eine Entschädigung anzubieten. Auch wenn mir die Vorstellung widerstrebt, ihr noch einmal unter die Augen zu treten – lieber würde ich mir ohne Betäubung alle Zähne ziehen lassen.
10
Pferde werden nicht essen
»Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.« Alex lässt den Motor seines Wagens aufheulen, während ich es mir auf dem Beifahrersitz gemütlich mache und den Blick über das Chaos aus leeren Süßigkeitenpackungen und Apfelkerngehäusen auf dem Armaturenbrett und den eingetrockneten Schlamm im Fußraum gleiten lasse. Im Seitenfach der Fahrertür stecken ein »Puppy Patrol«-Taschenbuch und eine Handvoll Hundekuchen. »Ich habe einer Kuh die Klauen geschnitten.«
»Das macht nichts«, antworte ich – meiner Meinung nach recht großmütig, wenn man bedenkt, dass ich seit einer Stunde wie auf glühenden Kohlen saß, weil ich dachte, er hätte mich vergessen. Ich bürste ein weißes Haar von meiner Hose – ich hätte wissen sollen, dass es keine gute Idee ist, schwarze Kleider anzuziehen – und stelle etwas missmutig fest, dass der Stallgeruch meinen extravaganten Armani-Duft überdeckt.
»Doch, wenn wir deshalb das Büfett verpassen.« Er grinst. »Ich sterbe vor Hunger, Sie nicht?« Er wartet meine
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