Stadt, Land, Kuss
mit meinen Gefühlen für ihn umzugehen, wenn ich ihn als einen Fox-Gifford vom Talyton Manor betrachte, statt jetzt, wo er so aufmerksam und freundlich zu mir ist. Wahrscheinlich ist das alles bloß Fassade, nur Teil einer Charmeoffensive, um mich erst in Sicherheit zu wiegen und mich dann ins offene Messer rennen zu lassen, da ich mir nicht vorstellen kann, dass er diese Information für sich behalten wird.
»Ich bemühe mich, nicht auf Klatsch und Tratsch zu hören, aber es gibt Gerüchte …« Nachdenklich hält er inne. »Ich kann Frances nicht wieder einstellen, wir sind erstaunlich gut ohne sie zurechtgekommen. Wenn ich allerdings von einer passenden Stelle höre, lasse ich es Sie wissen.«
»Ich weiß nicht, wie ich es ihr sagen soll …«
»Hm«, sagt Alex. »Das wird ein ziemlicher Schlag für sie sein – arme Frances. Sie ist praktisch die Alleinverdienerin in ihrer Familie. Ihr Sohn ist ein Taugenichts, der ständig in Wettbüros rumhängt. Ihre Schwiegertochter tut zwar, was sie kann, aber es ist Frances, die sie alle über Wasser hält.« Er seufzt. »Meine Güte, was für eine unpassende Formulierung, wenn man bedenkt, wie sie ihren Mann verloren hat.«
»Was ist denn passiert?«
»Er war Fischer. Sein Trawler sank in einem Sturm, und er ist zusammen mit seinen vier Leuten ertrunken.« Alex schüttelt den Kopf. »Diese Nacht werde ich nie vergessen. «
Schweigend frage ich mich, wie sich Frances gefühlt haben muss, als ihr Mann nicht nach Hause kam.
Alex bindet den letzten Knoten, schneidet den Faden ab und rollt Cadbury auf die Seite, dann bedeckt er ihn mit einem Tuch – vielleicht meinetwegen. Er sieht auf, und ich zwinge mich, ihm in die Augen zu sehen.
»Cheryl kam zu uns zurückgekrochen«, sagt er. »Ich dachte, das würde Sie interessieren. Ich habe ihr gesagt, dass wir im Moment keine neuen Patienten annehmen.«
»Sie haben sicher die Plakate gesehen«, entgegne ich, verblüfft darüber, dass Alex mich in aller Stille unterstützt hat. Das wäre das Letzte, was ich von ihm erwartet hätte.
»Die waren ja kaum zu übersehen. Aber machen Sie sich keine Sorgen – ich habe sie davon überzeugt, sie abzunehmen.«
»Wie haben Sie das denn geschafft?«
»Wir halten oben im Herrenhaus jedes Jahr mehrere Gesellschaften ab.« Alex zieht Kittel und Handschuhe aus und geht zum Becken hinüber, um sich die Hände zu waschen. »Ich habe ihr gedroht, den Cream Tea nicht mehr im Copper Kettle zu bestellen, daraufhin hat sie eingewilligt, die Sache auf sich beruhen zu lassen. «
»Wieso haben Sie das getan? Ich meine, Sie hätten doch nicht …«
»Es ist meine Pflicht, die Ehre unseres Berufsstands zu verteidigen«, antwortet Alex mit einem Funkeln in den Augen, doch dann fügt er hinzu: »Ach, Maz, das war ein Scherz. Ich habe es für Sie getan.«
»Für mich?«
»Ja, und es tut mir leid wegen neulich«, fährt er fort.
»Mir tut es auch leid«, lenke ich ein. »Ich hätte Ihnen nicht die Schuld für das geben sollen, was Ihr Vater gesagt hat.«
Alex zieht ein paar Papiertücher aus dem Spender und kommt, sich die Hände abtrocknend, zu mir zurück. »Kommen Sie klar?«, fragt er sanft.
Ich nicke nur, denn ich traue meiner Stimme nicht. Wenn er noch länger so nett zu mir ist, breche ich gleich in Tränen aus.
»Dann sollte ich mich jetzt verabschieden …« Er kommt noch näher, bis ich die Stoppeln auf seinen Wangen und die Ringe unter seinen Augen deutlich sehen kann. Obwohl er angeblich so in Eile ist, scheint er nicht gehen zu wollen.
»Gute Nacht, Alex«, sage ich und bemühe mich, meine Emotionen unter Kontrolle zu halten, »und danke. Für alles.«
Alex streckt eine Hand aus und umfasst mein Kinn.
»Was machen Sie da?«, stottere ich, als er sich zu mir herunterbeugt und seine Lippen auf meine drückt. Ein unerwarteter Stromstoß schießt durch meinen Körper. Der Druck seiner Lippen wird stärker, er zieht mich an sich, und zitternd erwidere ich seinen Kuss. Alex Fox-Gifford küsst mich! Es ist schockierend, atemberaubend, unglaublich. Und trotz allem, was vorgefallen ist, will ich nicht, dass er damit aufhört.
Doch plötzlich reißt er sich los und lehnt schwer atmend die Stirn gegen meine.
»Gute Nacht, Maz«, sagt er und tritt einen Schritt zurück. »Ich finde selbst hinaus.«
14
Ich hasse Montage
Ich kann nicht schlafen. Wenn ich nicht an Cadbury denke, gehen mir Alex und sein Kuss im Kopf herum. Bereue ich, was passiert ist? Ich glaube schon,
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