Stadt, Land, Mord - Granger, A: Stadt, Land, Mord - Mud, Muck and Dead Things
jeglichen Zierrat, mit Ausnahme eines gerahmten Familienphotos, aufgenommen im Garten eines gemieteten Feriencottages in Cornwall, als sie und Simon ungefähr zwölf Jahre alt gewesen waren.
Sie grinsten in die Kamera, und ihre rotbraunen Haare leuchteten im Sonnenlicht. Jess hatte beide Arme um den Labrador der Familie geschlungen. Sie hatten den Hund in jedem Urlaub mitgenommen, weil niemand es fertigbrachte, ihn in einen Zwinger zu geben. Erst nachdem er in den Hundehimmel gegangen war, unter einer feierlichen Grabrede, die ihr Vater im Garten hinter ihrem Haus gehalten hatte, war die Familie zum ersten Mal ins Ausland in Urlaub gefahren. Was nicht bedeutete, dass sie nicht herumgekommen wären als Kinder. Jess’ Vater war bei der Armee gewesen, und als kleines Mädchen hatte sie ein paar Jahre in einer NATO -Siedlung in Deutschland gelebt. Ein weiterer Grund, nahm sie an, dass ihre Eltern keine Lust verspürt hatten, sich zur Ferienzeit durch die Flughäfen oder Fährdocks zu kämpfen. Und vielleicht auch der Grund, warum sie und Simon sich als Erwachsene zu einem so unsteten Leben entschlossen hatten. Simon reiste mehr in der Welt umher als sie, doch als Kriminalpolizistin arbeitete sie auch kaum jemals zu normalen Bürozeiten. Das Unerwartete stand stets auf der Schwelle, genau wie heute.
Jess lächelte den Schnappschuss an und versuchte sich zu erinnern, wer ihn gemacht hatte – schließlich waren alle vier im Bild. Sie vermochte es nicht zu sagen.
Sie ging ins Schlafzimmer und streifte ihre feuchte, schmutzige Kleidung ab. Nachdem sie heiß geduscht und sich die Haare gewaschen hatte und in saubere, trockene Sachen geschlüpft war, fühlte sie sich bereits sehr viel besser. Ihre vorhergehende Müdigkeit war zusammen mit dem Schmutz von der Cricket Farm weggespült worden. Belebt kehrte sie in ihr Wohnzimmer zurück und schaltete den lokalen Radiosender ein. Die Medien hatten keine Reporter auf die Farm geschickt – wahrscheinlich hatte sich die Neuigkeit noch nicht bis zu ihnen herumgesprochen. Der Radiosender jedenfalls erwähnte nichts von einem Leichenfund. Später würde sie die Nachrichten im Fernsehen verfolgen; vielleicht hatte das regionale Bulletin bis dahin Wind von der Leiche im Kuhstall bekommen. Der Fundort hatte etwas Schauerliches, das den Redakteuren der Nachrichtensendungen möglicherweise zusagte. Die Schlagzeilendichter der Boulevardpresse jedenfalls würden jubeln.
Sie persönlich hätte es vorgezogen, wenn die Medien nichts erfuhren, bis das Wochenende vorüber war. Später – falls es ihnen nicht gelang, das Opfer zu identifizieren – würden sie die Hilfe der Medien benötigen, doch im Moment konnte sie kein Kamerateam gebrauchen, das sich auf der Cricket Farm herumtrieb. Später hingegen konnte ein umsichtig lanciertes Photo dem Gedächtnis der Öffentlichkeit auf die Sprünge helfen.
Insbesondere wollte sie nicht, dass Eli Smith an diesem Wochenende von Reportern belagert wurde. Jess war sicher, dass Smith zutiefst erschüttert war. Niemand, der einen Leichnam auf seinem Grund und Boden fand, war erfreut darüber. Doch Smith war mehr als unglücklich. Er war nervös. Er war ein Einzelgänger, und niemand konnte voraussehen, wie er auf die aufdringlichen Fragen von Reportern reagierte.
Sie hatten vereinbart, dass er am nächsten Morgen, am Samstag, um zehn vorbeikommen und seine Aussage unterzeichnen würde. Phil Morton konnte sich darum kümmern. Theoretisch musste Jess erst am Montagmorgen wieder zur Arbeit, doch sie konnte nicht das ganze Wochenende warten und nichts tun.
Zum einen waren die ersten Tage einer Mordermittlung immer die wichtigsten. Und zum zweiten – nicht weniger wichtig – sollte Superintendent Ian Carter am Montag seinen neuen Posten antreten, und sie mussten vorzeigen können, was sie am Wochenende herausgefunden hatten.
Sie wussten nur wenig über den neuen Chef. Er kam aus der anderen Ecke des Landes, und sie hatten keine Ahnung, was ihn dazu bewogen hatte, sich hierher versetzen zu lassen. Ein Bekannter, ein in den Ruhestand gegangener höherer Beamter, hatte Jess verraten, dass Carter ein sehr erfahrener Mann war. »Ich glaube, ich habe vor Jahren mal Rugby gegen ihn gespielt«, hatte der gleiche Informant weiter gesagt. Sie hatte bisher kein Photo von Carter gesehen, und ihre Phantasie hatte einen groß gewachsenen konservativen Exsportler heraufbeschworen, der einen aussichtslosen Kampf gegen sein zunehmendes Gewicht kämpfte.
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