Stadt, Land, Mord - Granger, A: Stadt, Land, Mord - Mud, Muck and Dead Things
erhalten, genau wie die Zelený-Familie in Tschechien. (Phil Morton, der sich allem Anschein nach mit tschechischer Grammatik bestens auskannte, hatte sie informiert, dass »Zelená« nur die weibliche Version des Familiennamens war.) Wenn Simon nach Hause schrieb, versicherte er zwar unablässig, dass alles in Ordnung war und er in Sicherheit. Doch das war er nicht. Konnte er nicht sein in dem Höllenloch, in dem er arbeitete. Kugeln trafen nun einmal unterschiedslos jeden, der ihnen im Weg stand: Flüchtlinge, Mitarbeiter des Roten Kreuzes, Journalisten, Ärzte … Kugeln, und die Männer, die sie abfeuerten, machten keinen Unterschied zwischen Menschen. Manchmal zielten die Angreifer sogar ganz bewusst auf die freiwilligen Helfer. Sie wollten keine Zeugen, die der Welt von ihren Taten berichteten.
Als sie sich wieder Carter zuwandte, erkannte sie, dass er sie sehr vorsichtig beobachtet hatte, und sie fragte sich unwillkürlich, wie viel er über sie und ihre familiären Umstände wusste. Er konnte unmöglich etwas von Simon wissen. Auf der anderen Seite war die Arbeit ihres Bruders kein Geheimnis. Sie redete nicht darüber, aus abergläubischer Furcht heraus, etwas Schlimmes zu provozieren. Aber andere redeten vielleicht.
»Äh, nun ja …«, murmelte Carter und streckte die Hand nach dem vergrößerten Abzug des Photos aus dem Werbeprospekt aus. »Ich schätze, Sie haben Recht. Was wollen Sie nun hiermit machen?«
»Es den Leuten zeigen. Ich dachte, ich fange bei Mrs. Foscott an. Wenn sich jemand von diesem Photo in der Gegend der Farm oder des Reitstalls herumgetrieben hat, dann hat es Mrs. Foscott noch am ehesten bemerkt. Sie ist …« Jess zögerte kurz, bevor sie weiterredete. »Sie ist ein altes Schlachtross, aber sie ist zugleich aufmerksam und scharfsinnig. Außerdem ist sie aus der Gegend. Sie weiß, worüber die Leute reden.«
Carter verschränkte die Hände und sah sie erneut auf diese vorsichtige Weise an, die Jess als so beunruhigend empfand. »Also gut, in Ordnung«, sagte er schließlich. »Aber seien Sie auf der Hut. Sie könnte selbst neues Gerede in die Welt setzen.«
Er reichte Jess das Photo. Sie fragte sich, ob sie ihm sagen sollte, dass David Jones, der auf dem Bild zu sehen war, der Sohn von Barney Jones war, dem bekannten Anwalt. Sie wusste noch nicht, wo Superintendent Carter stand, wenn es darum ging, Leute zu belästigen, die man als Polizeibeamter vielleicht vor Gericht wiedertreffen würde. Sie beschloss, die Information noch eine Weile länger für sich zu behalten.
Wie vorherzusehen, wohnten die Foscotts in einem großen, heruntergekommenen Haus, umgeben von einem ungepflegten Garten. Außerdem parkten zwei Fahrzeuge auf der von Unkräutern durchsetzten gekiesten Auffahrt, als Jess dort ankam: Selinas alter aristokratischer Jaguar und ein neuerer schicker Lexus. Jess war nicht überrascht, als Mr. Foscott ihr die Tür öffnete, der mutmaßliche Besitzer des Lexus.
Er war ein großer, dünner Mann mit schütterem blondem Haar und einer Brille. Er spähte durch die Gläser auf den hingehaltenen Dienstausweis und dann auf Jess.
»Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen bei diesem Mord. Ich war nicht dort. Sie müssen schon meine Frau fragen – ich bin nie in diesem Reitstall oder in der Nähe dieser Farm.«
»Äh, ja, das war auch meine Absicht – ist Mrs. Foscott zu sprechen?«
»Ja, natürlich. Kommen Sie herein.« Er wandte sich um und trottete ins Haus, und Jess blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. » Selly! Die Polizei ist hier und will dich sprechen!« Er warf einen Blick über die Schulter auf Jess, dann fügte er hinzu: »Ein weiblicher Inspector!«
Mit diesen Worten verschwand er durch eine Tür, und Jess blieb allein in der Halle zurück. Seit Jahren waren keine Renovierungsarbeiten mehr durchgeführt worden, keine frische Farbe an den Wänden und keine neuen Tapeten. An den Wänden hingen kreuz und quer Bilder von Pferden oder von Charlie hoch zu Ross, zusammen mit Erinnerungslücken wie Hufeisen oder Rosetten. Neben dem Schirmständer lag ein Sattel unordentlich auf dem Boden. Das ganze Haus roch schwach nach Pferden. Mr. Foscott musste nicht zum Reitstall fahren. Seine Frau und seine Tochter hatten ihn mit nach Hause gebracht.
Jess hörte, wie sich Selina Foscott geräuschvoll stampfend näherte, während sie einer unsichtbaren Person, vermutlich ihrer Tochter, zurief: »Ich kann mir jetzt jedenfalls keine neuen Stiefel für dich leisten! Du musst mit
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