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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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hatte, ermutigt fühlen soll. »Aber was mit Lucy passiert ist, ist nur einmal passiert, und es wäre ein Fehler gewesen, selbst wenn zwischen dir und mir nichts passiert wäre, und es wäre sowieso nicht noch einmal passiert.«
    »Zu dumm«, bemerkt Carly trocken. »Jetzt wirst du niemanden mehr haben, den du küssen kannst.«
    »Du weißt, dass ich von dem Augenblick an, in dem du mich geküsst hast, ganz dir gehört habe.«
    »Wenn du von mir erwartest, dass ich sage, ich habe beim ersten Hallo dir gehört, dann musst du dich auf eine gewaltige Enttäuschung gefasst machen.«
    Diese frustrierenden Gespräche setzen sich in unregelmäßigen Abständen für den Rest des Tages und den nächsten fort. Carly nimmt entschlossen all meine Anrufe entgegen, schlägt aber entschieden meine eindringlichen Bitten aus, sich persönlich mit mir zu treffen. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass es hier einen Zermürbungskampf geben wird, aber unter alledem mache ich mir schreckliche Sorgen, dass sie daran arbeitet, mich auf Dauer hinter einer Mauer beiläufiger Gleichgültigkeit auszusperren. Zwischen diesen scheinbar sinnlosen Anrufen kämpfe ich damit, alle Ablenkungen zu verdrängen und die Dynamik meines Romans aufrechtzuerhalten. Für Matt Burns ist der Zeitpunkt gekommen, den Schauplatz des angeblichen Unfalltods' seines Vaters aufzusuchen, am Fuß der Wasserfälle in den Wäldern hinter Nortons Textilmühle, wo er so viele Jahre für die Familie Norton sorgfältig die Bücher geführt hat. Ich weiß nicht, wann ich den Entschluss gefasst habe, die Wasserfälle des Bush River in Matts fiktive Heimatstadt im Norden des Bundesstaates New York zu verlegen, aber jetzt, nachdem sie ein zentraler Bestandteil der Story geworden sind, bin ich etwas ratlos, was die genaue Mischung der Ereignisse, sowohl romantischer als auch unheilvoller, betrifft, durch die die Wasserfälle als totemistisches Kernstück des Romans düster aufragen. Ich beschließe, dass es mir gut tun könnte, zu den Wasserfällen hinauszufahren, mich an den Fuß ihres ohrenbetäubenden Gefälles zu setzen und mich von dem eisigen Leichentuch ihres Nebels einhüllen und inspirieren zu lassen. Und wenn nicht das, dann wird es zumindest dafür sorgen, dass ich für eine Weile aus dem Haus komme.
    Es ist ein frischer, grimmiger Oktobertag, klar und wolkenlos, und das Leder des Mercedes so kalt, dass es mich in den vielleicht zwei Minuten, bis sich der Sitzwärmer einschaltet, durch die Hose fröstelt. Um zu den Wasserfällen hinauszufahren, biege ich von der Straße ab und manövriere mich durch eine Fülle von Feldwegen, die zu der Stelle in den Wäldern führen, an denen sich die Wasserfälle in den Bush River ergießen. Ich lasse meinen Wagen etwa an der Stelle zurück, an der nach meiner Erinnerung Carly und ich uns einst einander hingaben und unsere Jungfräulichkeit verloren, vielleicht in der unbewussten Hoffnung, dass ich die Geister unserer Vergangenheit irgendwie beschwören kann, zu meinen Gunsten bei den Schicksalsgöttinnen zu intervenieren. Während ich mich durch das Unterholz in Richtung Bush River schlage, erinnere ich mich an die langsame, unbeholfene Art unseres Liebesspiels in jener Nacht, und ich denke, dass das, was so oft als Verlust der Unschuld betrachtet wird, in Wirklichkeit ihr Höhepunkt ist. Am Fuß der Wasserfälle trete ich aus dem Wald und setze mich an den Rand des riesigen, tosenden Tümpels, in den sich die beiden Wasserfälle geräuschvoll ergießen. Am Ufer verstreut liegen, wie zu erwarten, leere Bierflaschen, zerdrückte Dosen, aufgerissene und verblichene Kondomverpackungen, Zigarettenkippen und zerbrochene Plastikfeuerzeuge, all die weggeworfenen Ausrüstungsgegenstände und Überreste des rituellen Marsches der Teenager in die sexuelle Reife. Nachdem ich ein paar Minuten in der kalten, stechenden Gischt der Wasserfälle gesessen habe, beschließe ich, dass es an der Zeit ist, für eine etwas umfassendere Perspektive eine höhere Ebene aufzusuchen.
    Ich fahre die Hauptstraße ein Stück höher hinauf, am Porter's-Gelände vorbei, und biege auf den ausgefahrenen Feldweg ein, der durch die Wälder zum oberen Ende der Wasserfälle führt, ein schmaler Weg, kaum breiter als ein Wagen, zu dessen alliterierender Nomenklatur Bezeichnungen wie Geile Gasse, Schlampenstraße, Tittentrottoir und Bumsboulevard gehören, zu denen in den letzten Jahren zweifellos noch eine Reihe anderer hinzugekommen sind. Als ich nicht mehr weiter

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