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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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Zeit über böse an, als wir dort waren, erhob aber keine Einwände, als wir Waynes Sachen hinaustrugen. Als wir Wayne nach draußen führten, Carly auf der einen und ich auf der anderen Seite, hielt er an der Tür mit uns an und wandte sich zu ihr um, mit nassen Augen und zitterndem Kiefer. »Auf Wiedersehen, Ma«, sagte er. »Ich will nur, dass du weißt, dass ich dich liebe und dass es mir Leid tut, was du meinetwegen durchmachen musstest.« Seine Mutter nickte, und ich war mir sicher, sie würde an Ort und Stelle zusammenbrechen und ihn anflehen, zu bleiben, aber sie sagte nur: »Ich werde für dich beten«, und nickte dann mechanisch weiter mit dem Kopf, bis Wayne sich schließlich abwandte und wir die Stufen hinuntergingen. Er hielt noch einmal inne, kurz bevor wir in Carlys Wagen stiegen, um einen letzten Blick auf das Zuhause seiner Kindheit zu werfen, und dann fuhren wir ab. Wie muss man sich dabei fühlen, dachte ich, wenn man auf etwas blickt, egal auf was, und weiß, dass es das letzte Mal ist?
    Ich saß mit Wayne auf der Rückbank und Carly am Steuer. Während wir durch die Nachbarschaft fuhren, starrte Wayne aus dem Fenster, entschlossen, mit seinem vermutlich letzten Blick auf Falls alles in sich aufzunehmen. Von meinem Platz hinter Carly konnte ich die kleinen Schüttelkrämpfe ihrer Schulter sehen, als sie leise vor sich hin weinte. »Es ist schon okay«, sagte Wayne leise, vielleicht zu Carly oder vielleicht zu sich selbst; es war schwer zu sagen, da er immer noch aus dem Fenster sah. »Es ist schon okay«, sagte er noch einmal, und alles, was ich denken konnte, war: Es ist etwa so weit entfernt von okay, wie es nur sein kann.
    Nachdem wir das Haus meines Vaters erreicht und Wayne sicher seinem Krankenhausbett und Fabias aggressiver Pflege übergeben hatten, begannen Carly und ich schweigend, Waynes Sachen auszuladen. Über die gegenwärtige Unstimmigkeit zwischen uns haben wir nicht gesprochen, aber Carly hat ihre Wut kurzerhand beiseitegeschoben, da zwischen uns beiden ein instinktives Einverständnis darüber herrschte, Wayne seine letzten Tage nicht durch unsere banalen Differenzen verderben zu wollen. Mir wurde vergeben, ohne dass es erwähnt wurde, was bei mir eine gewisse Unzufriedenheit hinterließ, denn nachdem wir den Prozess einer Versöhnung umgangen hatten, wurde uns die frische Intimität vorenthalten, die mit einem hart erkämpften Entschluss verbunden ist. Als wir den Wagen fertig ausgeladen hatten und ich noch einmal vors Haus trat, sah ich, wie sie eine kleine Reisetasche aus dem Kofferraum nahm. »Komm mir jetzt nicht mit irgendwelchem Scheiß«, sagte sie etwas verlegen. »Er ist auch mein Freund.«
    Ich nickte. »Okay, kein Scheiß.«
    Carly kam die Stufen hoch und blieb vor mir stehen. »Er ist kurz davor«, sagte sie mit leiser Stimme, als befürchtete sie, Wayne könnte es von drinnen mitbekommen.
    »Ich weiß«, sagte ich.
    Sie nickte ausdruckslos, während sie die Tränen hinunterschluckte, und legte ihren Kopf an meine Brust. So standen wir eine ganze Minute im schwindenden Sonnenlicht, während der Herbstwind, in dem der erste stählerne Hauch des Winters zu spüren war, die rotbraunen und gelben Blätter in einem Rundtanz über den Gehsteig wehte. »Ich bin froh, dass du hier bist«, sagte Carly.
    Das war vor zwei Wochen. Seitdem ist es für Carly und mich zu einer angenehmen Routine geworden, jeden Morgen zusammen zu frühstücken, während Fabia Wayne badet. Er weigert sich hartnäckig, uns bei den weniger würdevollen Notwendigkeiten seiner Pflege dabeizuhaben: den Schwammbädern, dem Arschabwischen, dem Ausleeren der Bettpfannen. Ich kann es ihm nicht verübeln, und es stört mich nicht im Geringsten. Also sitzen wir in der Frühstücksnische mit dem Aussichtsfenster, das auf den Hintergarten hinausgeht. Oft essen wir schweigend und sehen der Tierwelt draußen zu, die hauptsächlich aus Eichhörnchen besteht, die sich hastig bespringen und auf der Suche nach Vorräten umher huschen, und hin und wieder einer streunenden Katze, die sich auf dem Patio sonnt. Die einzigen Geräusche sind das gelegentliche Ächzen des Strohgeflechts der Workbench-Küchenstühle, die sich unter unserem Gewicht biegen. Das Geräusch beschwört mehr als alles andere in diesem Haus Bilder meiner Mutter herauf, so deutlich wie Fotografien. Ich habe den größten Teil meines Lebens auf diesen Stühlen gesessen und unter ihren aufmerksamen Blicken Smacks mit Milch gelöffelt, während sie im

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