Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
Vom Netzwerk:
schließen, dass er das nicht zum ersten Mal macht. Jared stellt einen Stein gegen den Türpfosten und geht mit Drew zurück zu seinem Wagen, wo sie sich mit einem weiteren verschlungenen Handschlag verabschieden, bevor der Junge wieder in seinen Wagen steigt und abschwirrt. Jared kommt zu unserem Wagen zurückgeschlendert und gibt uns mit erhobenem Daumen grünes Licht. »Gebongt.«
    Ich hieve den Rollstuhl aus dem Kofferraum, zusammen mit einem Basketball, auf dem das Cougars-Team, das 1958 die Meisterschaft gewann, unterschrieben hat und den wir aus dem Trophäenschrank meines Vaters befreit und wieder auf das Normalmaß aufgepumpt haben. Es kommt mir komisch vor, sich den Ball auszuborgen, aber ich sage mir, dass mein Vater gestorben und Wayne noch am Leben ist und dass Basketbälle dazu da sind, das man mit ihnen spielt, nicht um passiv in irgendwelchen Schaukästen zu liegen. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass Arthur Goffman Waynes Herzenswunsch verstanden hätte, ein letztes Mal an den Schauplatz seines vergangenen Ruhms zurückzukehren, selbst wenn er meinen kleinen Diebstahl missbilligt hätte.
    Der gewachste Holzboden der Turnhalle glänzt makellos im matten, orangefarbenen Schimmer der Ausgangsschilder und Notbeleuchtungen, als wir Wayne hinein rollen, wobei unsere Schritte in der riesigen Halle eindrucksvoll widerhallen. Waynes Augen sind vor Aufregung weit aufgerissen. »Können wir ein bisschen mehr Licht bekommen?«, frage ich Jared.
    »Leider nein«, sagt er. Jetzt kann ich erkennen, dass die Fiberglas-Korbbretter mit den zwei Hauptkörben zehn Meter über uns zu beiden Seiten des Spielfelds aufgehängt sind. »Die Schalter für die Beleuchtung und zum Herunterlassen der Körbe sind in Dugans Büro, und da kommt niemand rein außer ihm.«
    »Das macht nichts«, sagt Wayne. »Wir können die Seitenkörbe nehmen.«
    An den Wänden der Turnhalle, in die erhöhte Laufbahn verschraubt, sind die üblichen weißen Korbbretter aus Holz, mit orangefarbenen Zielmarkierungen und Korbringen. Das sind die Körbe, die alle in der Schule benutzen, mit Ausnahme des Teams. Aus Stolz behält Dugan die Benutzung der verstellbaren Fiberglas-Korbbretter im Standardformat ausschließlich den Cougars vor.
    Wayne stemmt sich aus dem Rollstuhl hoch, sodass er aufrecht steht, und wirft die Steppdecke ab. Erschrocken tritt Carly einen Schritt vor, aber ich halte sie am Arm zurück. Jared hilft Wayne aus seinem Mantel und reicht ihm dann den Basketball. Er steht im Mittelkreis, die Finger gespreizt und an die Nähte des Balls gepresst, schließt die Augen und schwankt fast unmerklich hin und her, wie es Wolkenkratzer angeblich tun. Der Raum ist erfüllt von der gespannten Stille, die riesigen leeren Räumen zu Eigen ist, wie der knisternde Augenblick vor einer Explosion, die nie kommt. »Mann«, sagt Wayne mit leiser, zitternder Stimme. »Es fühlt sich noch ganz genauso an. Als könnte ich die Augen aufschlagen und wieder achtzehn sein.« Ich verspüre einen heißen Druck, der sich in meiner Kehle aufbaut und breit macht. Er beginnt den Ball zu dribbeln, und laut hallt das Geräusch in der leeren Turnhalle wider. Selbst in seinem ausgemergelten Zustand, aller wirklichen Kraft beraubt, kann man die Struktur seines einst beeindruckenden athletischen Körperbaus noch immer an der Art erkennen, wie er den Ball vor sich prellt, die Handgelenke locker, die Finger gespreizt, und an der Art, wie er sich langsam auf eine der gemalten Freiwurflinien am Rand zubewegt, immer noch dribbelnd. Einen Augenblick steht er an der Linie, betrachtet das Korbbrett und hält sich den Ball an die Brust. »Dann wollen wir mal«, sagt er, mehr zu sich selbst als zu einem von uns. Er prellt den Ball noch viermal, geht in die Knie und wirft einen Freiwurf. Seine Form ist selbst nach all den Jahren immer noch perfekt, und es ist ein eleganter Wurf, genau aufs Ziel, aber vielleicht einen Meter zu kurz. »Airball«, murmelt Wayne. »Ich kann nicht glauben, dass ich einen verdammten Airball geworfen habe.«
    »Geh ein bisschen näher ran«, schlage ich vor, während Jared den Rebound fängt.
    »Gib ihn mir noch einmal«, sagt er ungeduldig. »Ich muss nur kalibrieren.«
    Jared spielt ihm einen Bodenpass zu, und Wayne stellt sich wieder für den Wurf auf. Er prellt den Ball viermal, und ich erinnere mich, dass das schon früher sein Ritual war, wenn er spielte. Diesmal bringt er den Ball unter der Hüfte hoch, die Knie gebeugt, den Rücken leicht

Weitere Kostenlose Bücher