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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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im Wohnzimmer. Der Raum ist völlig still, bis auf das Piepsen des Monitors und das gleichmäßige mechanische Darth-Vader-Zischen des Beatmungsgeräts. Ich setze mich auf den Stuhl neben seinem Bett, unsicher, was ich mit mir anfangen soll. Smalltalk kommt eindeutig nicht in Frage. Wenn er bei Bewusstsein wäre, würde das zweifellos meine bevorzugte Verteidigungswaffe sein, aber durch das Koma bin ich eindeutig im Nachteil. Ich überlege, ob ich trotzdem zu ihm sprechen soll, wie er es immer mit dem Fernseher macht, in einem leisen, zitternden, emotionsgeladenen Ton, der den Patienten auffordern soll, einfach durchzuhalten. Weil er mich hören wird. Irgendwo im Nebel seines Komas wird meine Stimme durch seinen betäubten Verstand schwirren, und Bilder von mir werden wie ein Rockvideo hinter seinen Augen aufblitzen, und irgendeine noch nicht ausprobierte Kombination wird das Schloss in seinem Gehirn aufschließen, und seine Finger werden sich in meinen verhaken, während er blinzelnd die Augen aufschlägt, und sein erstes Wort, in einem heiseren, trockenen Flüsterton hervorgebracht, wird mein Name sein. Aber ich weiß, dass ich das nicht in mir habe. Seine Hand liegt an seiner Seite auf dem Bett, und ich strecke verstohlen meine eigene Hand aus und lege sie um seine. Sie ist weitaus größer als meine, hart und schwielig an den Rändern, aber verblüffend weich in der Mitte, wie eine Scheibe Toast, die man im letzten Augenblick aus dem Toaster geholt hat, bevor sie anbrennen konnte. Ich kann mich nicht erinnern, je zuvor die Hand meines Vaters gefühlt zu haben. Ich drücke sie sanft. Sie erwidert den Druck nicht. Ich höre hinter mir die Tür und ziehe meine Hand rasch zurück, wie ein Ladendieb.
    »Hey«, sagt Brad und tritt von hinten an mich heran.
    »Hey.«
    »Wie läuft's denn so?«
    »Ganz gut. Und bei dir?«
    Er seufzt. »Lief schon besser.«
    »Vermutlich«, sage ich. Wir drehen uns beide um und betrachten die bewusstlose Gestalt unseres Vaters. Brad geht an mir vorbei und streicht sanft die Decken auf dem Bett glatt. Er tut es langsam, durchaus zärtlich. Während ich ihn beobachtete, wird mir bewusst, dass Brad am Boden zerstört ist. Im Zwiespalt meiner eigenen Gefühle für meinen Vater habe ich völlig vergessen, dass er auch noch der Vater für jemand anderen ist, und Großvater, und dass er geliebt wird. Ich wende mich ab, als Brad die letzten Laken glatt streicht, und fühle mich beschämt und mehr als je zuvor wie ein Eindringling.
    Brad tritt vom Bett zurück und grinst mich verlegen an. »So ...«, sagt er.
    »Wie lautet die Prognose?«, sage ich.
    »Ziemlich übel. Sie wissen nicht, ob er noch einmal zu Bewusstsein kommt, und selbst wenn, können sie unmöglich sagen, in welchem Zustand sein Gehirn sein wird.«
    »Was meinen sie, wie lange er hier so herumhängen kann?«
    »Das wissen sie nicht.« »Die wissen aber nicht viel, was?«, sage ich. Wieder sehe ich zu meinem Vater hinüber. Er wirkt drastisch reduziert, seine Gestalt kleiner und sein Teint trüber, als ich ihn in Erinnerung habe. Wir haben uns in den letzten Jahren ausgesprochen selten gesehen, und ich habe nicht daran gedacht, mein mentales Bild von ihm ebenfalls altern zu lassen. In seinem gegenwärtigen Zustand lässt sich unmöglich sagen, welchen natürlichen Tribut die letzten siebzehn Jahre von ihm gefordert haben, lässt sich unmöglich erkennen, wie weit er schon vor dem Schlaganfall gealtert war. Mich durchzuckt der Gedanke, dass ich meinen Vater, auch wenn ich letztendlich wieder in einem Zimmer mit ihm bin, vermutlich nie wieder wirklich sehen werde.
    Brad setzt sich aufs Fensterbrett, und ich nehme den Stuhl neben dem Bett, dessen Vinylkissen einen pfeifenden Seufzer ausstößt, als mein Gewicht sich auf ihm niederlässt. Was passiert jetzt?, frage ich mich.
    »Wie lange hast du vor zu bleiben?«, fragt Brad nach einer Weile.
    Bleiben?
    »lch weiß nicht.«
    Er nickt, als sei es das, was er erwartet hatte, und räuspert sich dann. »Ich bin froh, dass du gekommen bist. Ich war mir nicht sicher, ob du es tun würdest.« »Ich musste kommen«, sage ich vage. Er sieht mich an. »Ich nehm's an.« Wir sitzen still da, während das Gespräch davonhumpelt, wohin auch immer Gespräche sich zum Sterben legen.
    »Wo ist Jared?«, sage ich.
    Brad runzelt die Stirn und wendet den Blick ab. »Ich habe ihm gesagt, er soll auf dem Weg zur Schule hier vorbeischauen, aber in letzter Zeit ist er nicht das, was man als zuverlässig

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