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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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bezeichnen würde.« Jared ist Brads Sohn, mein Neffe, der nach meinen Berechnungen inzwischen sechzehn oder siebzehn sein müsste, da er vierzehn war, als er von zu Hause abhaute, die Metro-North nach Manhattan nahm und an jenem Abend um halb elf vor meiner Wohnung auftauchte, hungrig, ohne Geld und kochend vor selbstgerechter Wut über die nicht näher benannten Kränkungen, die zu diesem Akt des Trotzes geführt hatten. Wir ließen uns ein paar Sandwiches ins Haus liefern, und ich sorgte dafür, dass er seinen Vater anrief. Dann sahen wir Letterman an, und am nächsten Morgen setzte ich ihn in einen Zug zurück nach Connecticut, und das war es im Wesentlichen. Brad hinterließ am nächsten Abend eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter und bedankte sich bei mir, aber ich war nicht zu Hause, und obwohl ich mich deutlich erinnern kann, dass ich ihn zurückrufen wollte, bin ich irgendwie doch nie dazu gekommen.
    »Was ist er jetzt, siebzehn?«
    »Achtzehn«, sagt mein Bruder. »Letztes Highschool-jahr.« So viel zu meinen Mathekünsten.
    »Ist er der Kapitän der Cougars?«
    Brad wendet den Blick ab. »Jared spielt nicht Ball.« Diese vier Worte, überzogen mit einer feinen Schicht unausgesprochener Anspannung und Enttäuschung, verraten mir, dass meine matten Versuche, eine unschuldige Plauderei anzustoßen, es trotzdem geschafft haben, ausgerechnet genau das Thema anzuschneiden, das offensichtlich heikel ist, und an diesem Punkt beschließe ich, die Gesprächsführung von nun an Brad zu überlassen. Brad scheint allerdings völlig zufrieden damit, sich zurückzulehnen, mit den Knöcheln zu knacken und zuzusehen, wie die Flüssigkeiten in den und aus dem piepsenden und zischenden Haufen tröpfeln, der einmal unser Vater war.
    »Ich habe dein Buch gelesen«, sagt er schließlich, womit er die Anspannung effektvoll noch ein paar Gänge höher schaltet.
    »Tatsächlich«, sage ich. »Hat es dir gefallen?« Er legt die Stirn in Falten, denkt über die Frage nach. »Teilweise«, sagt er.
    Ich zucke unverbindlich mit den Schultern. »Na, das ist doch schon etwas, würde ich meinen.«
    Er sieht mich nachdenklich an, als würde er überlegen, ob er etwas sagen sollte oder nicht. Schließlich seufzt er und wendet den Blick ab. »Ja«, sagt er. »Dein Buch hat hier ganz schön hohe Wellen geschlagen.«
    Ich warte schweigend darauf, dass er sich ausführlicher äußert, aber offenbar hat er bereits alles gesagt, was er zu diesem Thema zu sagen gedenkt. Zwischen uns zittert mein Vater auf einmal, sein ganzer Körper vibriert in einer Welle von der Brust bis zu den Zehen. Ich springe erschrocken auf, aber Brad streckt eine Hand aus, gibt mir ein Zeichen, entspannt zu bleiben. »Ist schon okay«, sagt er und beugt sich vor, um den Zipfel der Bettdecke glatt zu streichen. »Das tut er manchmal.«

1986

7
    In Bush Falls führte die ungeheure Leere der Vorstadtnacht zu Gesetzesübertretungen und sexuellen Annäherungsversuchen unterschiedlichster Art. Wir platzten vor unnatürlicher Angst und Langeweile, die durch unsere pulsierenden jugendlichen Adern strömte und unser Blut ständig am Köcheln hielt. Es gab wenige Abende, die man in der Einkaufspassage herumhängen konnte, nur eine begrenzte Zahl neuer Filme, die man im Megaplex sehen konnte, nur eine begrenzte Zahl von Cheeseburgern und Tunfischsandwiches, die man im Duchess hinunterschlingen konnte. Darüber hinaus blieben uns nur Trinken, Vögeln und gelegentliche Akte von sinnlosem Vandalismus.
    Sammy, Wayne und ich entwickelten die Angewohnheit, von Zeit zu Zeit nachts heimlich über den Maschendrahtzaun von P. J. Porter's weitläufigem Firmengelände zu klettern und die elektrischen Golfwagen kurzzuschließen, die über Nacht zum Aufladen neben den Türen der Ladebucht blieben. Die Wagen wurden von leitenden Angestellten benutzt, um die weiten Strecken des perfekt gestutzten Rasens zwischen dem Hauptgebäude und dem Vertriebszentrum am anderen Ende des Geländes zurückzulegen. Als Praktikant bei Porter's hatte Wayne gelernt, dass man lediglich den Fahrersitz, unter dem die Batterie verstaut war, anheben und mit einer Büroklammer den einfachen Stromkreis schließen musste, um den Wagen anzulassen. Es hatte etwas angenehm Surreales, diese stillen Wagen im Dunkel der Nacht über die grasbewachsenen Flächen des Porter's-Geländes zu lenken. Wir jagten uns gegenseitig quer über das Gelände, erst im Vorwärts- und dann im Rückwärtsgang, oder übten uns in unreifen

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