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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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einen Tag konnte ich mein Geheimnis völlig vergessen und einfach Spaß haben, zum ersten Mal seit einer Ewigkeit.«
    Ich nicke und spüre gleichzeitig, wie meine Augen zu tränen beginnen. Während ich jetzt mit Wayne so dasitze, kann ich mich tatsächlich erinnern, was ich an diesem Tag empfunden hatte, wie es sich angefühlt hatte, ich zu sein. Die frische Herbstluft, der Lärm von Manhattan, das köstliche verschwörerische Gefühl, irgendwo zu sein, wo wir nicht hätten sein sollen, die Röte auf Carlys Wangen von dem kühlen Wind, als wir durch den Zoo spazierten.
    »Dieser Tag zählte«, sagt Wayne nachdrücklich. »Es gab viele andere Tage, die ebenfalls zählten, aber nicht annähernd so viele, wie es hätte geben sollen. Ich habe viel darüber nachgedacht. Warum ein Tag wie dieser so viel zählt und warum es immer weniger davon gibt, je älter
    wir werden.«
    »Und was ist die Antwort?«, frage ich. »Es ist im Grunde ganz einfach. Wir haben das getan, was wir tun wollten, und nicht das, was man von uns erwartete.« Er lehnt sich in seine Kissen zurück, zieht einmal tief und begierig an dem Joint und schnippt dann die Asche in eine Tasse neben seinem Bett. »Ich bin hier, um dir zu sagen«, sagt er, die Stimme hoch und gepresst von dem Kraut, »dass letzten Endes nichts zählt als die Dinge, die wirklich zählen. Das ist nichts, was du nicht schon wusstest, aber auch wenn du es weißt, heißt das nicht, dass du es wirklich weißt. Denn wenn du es wirklich wusstest, dann würdest du auch danach handeln, Mann. Scheiße, wenn ich jetzt noch einmal umkehren könnte ...«
    Seine Stimme verliert sich, und er ist so lange still, dass ich einen Augenblick lang schon denke, dass er eingeschlafen ist, aber dann beugt er sich vor und holt einmal tief Luft. »Ich werde jetzt eine Comicfigur heraufbeschwören«, verkündet er feierlich.
    Ich deute auf den Joint. »Was ist da eigentlich drin?«
    »Quatsch mich nicht dumm an, wenn ich Weisheiten von mir gebe, Joe.«
    »Entschuldige.«
    Wayne rollt sich auf die Seite, um mich besser betrachten zu können. Ein Häuflein grauer Asche fällt von der Spitze seines Joints und verschwindet in einer Falte seiner Steppdecke, als er seine Haltung ändert. »Erinnerst du dich noch an die alten Roadrunner-Comics, wo der Kojote über eine Klippe läuft und immer weiterläuft, bis er irgendwann nach unten sieht und zufällig merkt, dass er auf nichts als Luft gelaufen ist?«
    »Ja.«
    »Na ja«, sagt er. »Ich habe mich früher immer gefragt, was wohl passiert wäre, wenn er nie nach unten geblickt hätte. Wäre die Luft unter ihm dann fest geblieben, bis er die andere Seite erreicht? Ich denke schon, und ich denke, wir sind alle genauso. Wir fangen an, über diesen Canyon zu laufen, blicken immer nur geradeaus auf das, was zählt, aber irgendetwas, Angst oder Unsicherheit, bringt uns dazu, nach unten zu blicken. Und wir sehen, dass wir auf Luft laufen, und wir brechen in Panik aus und kehren um und krabbeln wie verrückt, um wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Und wenn wir einfach nicht nach unten blicken würden, dann könnten wir es auf die andere Seite schaffen. Zu den Dingen, die zählen.«
    »Ich verstehe, was du sagen willst«, sage ich. »Aber Carly und ich, das ist so lange her. Leute ändern sich.«
    »Die Dinge, die zählen, ändern sich nicht«, sagt Wayne, dreht den Joint um und steckt sich die glimmende Spitze fachmännisch in den Mund, was wir früher immer »Glühwürmchen« nannten. »Nur der Abstand zwischen dir und ihnen nimmt progressiv zu. Zwischen euch beiden gibt es ganz offensichtlich noch etwas.« »Hat sie das gesagt?«
    »Vielleicht lese ich da ein bisschen zwischen den Zeilen«, räumt er ein, drückt den Joint aus und wirft ihn in die Tasse. »Aber im Ernst, Joe, was zum Teufel hast du denn schon zu verlieren?«
    Wir sehen uns an, und ich spüre, wie meine Augen von neuem zu tränen beginnen, auch wenn das vielleicht vom Rauch herrührt, der sich inzwischen in alle Ecken des Zimmers ausgebreitet hat und die Luft wie süßer Weihrauch erfüllt. »Ich habe sie heute gesehen«, sage ich. »Im Krankenhaus.«
    Wayne starrt mich an. »Du Arschloch. Wie lange wolltest du mich denn hier liegen und diesen ganzen Blödsinn vor dir ausbreiten lassen, bevor du mir das sagst?«
    »Du warst nicht zu bremsen.«
    »Leck mich doch«, sagt er grinsend. »Wie lief's denn?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Wir haben gesagt, wir würden uns treffen.«
    Er lehnt sich

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