Stadtfeind Nr.1
feilschen, entscheide dann aber, dass das einen schweren Verstoß gegen die Etikette bedeuten würde - und außerdem will ich nur noch möglichst schnell von hier verschwinden. Richard nickt unterwürfig zu meiner Wahl und versenkt seinen beträchtlichen Leibesumfang hinter dem lächerlich kleinen schwarzen Schreibtisch im hinteren Teil des Showrooms, um den Kaufvertrag aufzusetzen. »Dazu kommt noch eine Gebühr von sechzig Dollar für die Kühlung«, informiert er mich.
»Wie bitte?«
Er sieht von seinen Unterlagen auf. »Die Leiche. Wir kühlen sie bis zur Bestattung. Das sind dreißig Dollar pro Tag.«
»Oh, okay.« Ich bereue, gefragt zu haben.
»Und dann gibt es noch die sieben Prozent Cougar-Rabatt.«
»Was?«
Richard sieht zu mir hoch. »Ihr Vater war doch ein Cougar, oder?«
»Das war er«, sage ich.
»Dann bekommt er sieben Prozent Rabatt.«
»Der Glückliche.«
Richard steht hinter seinem Schreibtisch auf, wobei sein Sessel einen zischenden Seufzer der Erleichterung ausstößt, und reicht mir meine Quittung. »Noch einmal mein aufrichtiges Beileid wegen Ihres Verlusts.«
»Danke«, sage ich und denke, dass er bei einer Provision von zehn Prozent soeben mit einer Viertelstunde Arbeit sechshundert Dollar verdient hat, wie aufrichtig kann sein Beileid also wirklich sein. Aber andererseits habe ich soeben, nachdem ich fast siebzehn Jahre nicht mit meinem Vater gesprochen habe, sein Heim für die Ewigkeit ausgewählt, und so drücke ich nur Richards fette, feuchte Hand und sehe zu, dass ich von hier verschwinde.
Zu der Beerdigung kommt ein guter Teil der Gemeinde von Bush Falls, den der Tod meines Vaters nicht davon abhält, mich anzustarren mit Blicken, die von nüchtern fragend bis hin zu unverhohlen feindselig reichen. Das Bewusstsein, von einem Großteil der Bevölkerung allgemein verachtet zu werden, ist eine Sache, aber so viele von ihnen zur selben Zeit unter einem Dach versammelt zu haben, ist eine völlig andere. Ich fühle mich wie in einem dieser Kindheitsträume, in denen man zur Schule kommt und zu spät bemerkt, dass man keine Hose anhat. Die Nacktheit ist vielleicht metaphorisch, aber die arktische Kälte in meinen Eingeweiden ist unbestreitbar
echt.
Als ich meine Blicke über die Menge schweifen lasse, sehe ich, dass die meisten der Männer ihre alten Cougars-Teamjacken tragen, eine Solidaritätsbekundung für ihren verstorbenen Teamkameraden. Wie Feuerwehrleute oder Polizisten sind sie hier, um einen von ihnen zu beerdigen, in Ausübung der Pflicht gefallen, gewissermaßen. Es liegt etwas seltsam Erhabenes in dieser Geste, selbst wenn die ausgeblichenen Jacken bei den kahl werdenden, fleischigen, schmerbäuchigen Männern, die sie über Button-down-Hemden und Krawatten tragen, etwas albern aussehen. Ich weiß, es ist lächerlich, aber ich kann mir die verbitterte Feststellung nicht verkneifen, dass es meinem Vater selbst im Tod gelungen ist, mir ein letztes Mal meinen Ausschluss von dem privilegierten engen Kreis vor Augen zu führen, dem er und Brad als Cougars angehörten.
Gott sei für Owen gedankt, der in einer widerwärtigen, weißen Stretchlimousine aus Manhattan eintrifft, die er für den Anlass gemietet hat. Er schreitet entschlossen durch die Halle, und mit seinem hellbraunen Popelineanzug, dem lindgrünen Hemd und der gesprenkelten Fliege sieht er auffällig und unpassend gepflegt aus. Jahrelang hat Owen mit sich gerungen, ob seine Garderobe die scharfen, klaren Konturen des Firmenbewusstseins oder besser die feineren, weicheren Dimensionen intellektuellen und literarischen Weitblicks ausstrahlen sollte. Im Laufe der Zeit haben seine abscheulichen Versuche, diese Dichotomie widerzuspiegeln, einen grässlichen, polychromatischen Stil hervorgebracht, den er schließlich als Affektiertheit akzeptierte. »Ich dachte, du könntest etwas moralische Unterstützung gebrauchen«, verkündet er großspurig, während er sich in den Blicken aalt, die er auf sich zieht. »Aber da ich berüchtigt dafür bin, dass mir alles fehlt, was Moral auch nur ähnelt, wirst du dich mit meiner unmodifizierten Unterstützung begnügen müssen.«
»Danke fürs Kommen«, sage ich, als er mich für einen Augenblick in die Arme schließt. Es ist das erste Mal überhaupt, dass er mich umarmt. Er riecht nach Old Spice und Babypuder.
»Ich bitte dich«, sagt Owen und tritt einen Schritt zurück, um mit unverhohlener Neugier auf die sich sammelnde Menge zu starren. »Wie hätte ich denn nicht kommen
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