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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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hierher zu kommen«, sagte sie. »Im Augenblick braucht er so dringend einen Freund.«
    »Er will mich nicht hier haben. Er redet kaum mit mir.«
    Sie griff nach meinem Arm und umfasste ihn mit beiden Händen. »Hör nicht auf, es zu versuchen, Joe. Er wird schon wieder zu sich kommen. Das hat er bis jetzt immer getan.«
    »Okay«, sagte ich. »Ich werde es weiter versuchen.«
    Aber ich tat es nicht. Ob ich wollte oder nicht, ich machte Sammy für das verantwortlich, was mit Wayne passiert war, und jedes Mal, wenn ich sah, wie er gedankenverloren in die Luft starrte, wurde ich von einer Wut gepackt, die so heftig war, dass sie mich zu überwältigen drohte. Ich wollte ihn anschreien, ihn zu blutigem Brei schlagen und ihm sagen, wie sehr ich wünschte, er wäre nie nach Falls gekommen. Ich hatte ihm meine Freundschaft angeboten, und er hatte es mir vergolten, indem er den Stoff, aus dem mein Leben bestand, zerschredderte. In gewisser Weise wusste ich, dass ich die Dinge etwas kindisch betrachtete, dass hier tiefere und komplexere Wahrheiten im Spiel waren, aber dieses Wissen trug nicht dazu bei, meine Wut zu zerstreuen.
    »Hör endlich auf, Mrs. Hargrove zu drangsalieren«, sagte mein Vater eines Abends zu mir, als er auf dem Weg zu seinem Schlafzimmer den Kopf in mein Zimmer steckte. Er war gekrümmt und verschwitzt von der Arbeit, und seine Augenlider hingen vor Erschöpfung schlaff nach unten. Seine Hose war an den Knien so abgewetzt, dass sie fast durchsichtig war, und an den Aufschlägen ausgefranst, und einen Augenblick lang empfand ich tiefes Mitleid mit ihm. Ohne meine Mutter, die ihm sagte, er müsse sich eine neue Hose kaufen, würde er nie auf die Idee kommen, es zu tun.
    »Was?«
    »Die arme Frau hat schon genug durchgemacht. Sie muss nicht Tag und Nacht von dir angerufen und daran erinnert werden.«
    »Ich rufe sie nicht Tag und Nacht an«, sagte ich. »Na ja, sie hat mich bei Stop & Shop auf dem Parkplatz fast tätlich angegriffen und mir gesagt, du würdest sie verrückt machen.«
    »Sie war schon verrückt.«
    »Zeig gefälligst etwas Respekt«, sagte er streng und trat ganz in mein Zimmer, etwas, was er vermutlich zum ersten Mal tat, seit Reagan gewählt wurde. »Wenn ich dahinter kommen würde, dass mein Sohn homosexuell ist, wüsste ich nicht, ob ich besser damit umgehen könnte.«
    »Na ja, dann lass es dir von mir sagen«, sagte ich verbittert. »Das würdest du nicht.«
    Einen Moment läng sah ich die Wut in seinen Augen aufflackern, aber er war zu erschöpft, um sich mit mir zu streiten. »Wayne ist aus freien Stücken gegangen. Wenn er wirklich von dir hören wollte, würde er dich wissen lassen, wie du ihn erreichen kannst.«
    »Du bist froh, dass er gegangen ist«, warf ich ihm vor. Mein Vater nickte. »Wayne musste gehen. Es war für alle das Beste, auch für ihn. Er hat das begriffen. Und wenn du ein bisschen älter bist, wirst du es vielleicht auch begreifen.« Er wandte sich zum Gehen. »Das ist Blödsinn«, sagte ich.
    Einen Augenblick blieb er wie angewurzelt stehen, wandte sich aber nicht um. »Lass sie einfach in Ruhe«, sagte er. »Ich will dieses Gespräch nicht noch einmal führen.« Als er gegangen war, trommelte ich immer wieder gegen die Wand, bis meine Knöchel zerkratzt und geschwollen waren, und dann noch etwas mehr, bis sich die dünnen Streifen meines Bluts wie Schokolade auf dem glatten elfenbeinfarbenen Anstrich verschmierten. Er hörte den Lärm mit Sicherheit, sah sich aber offenbar nicht genötigt, der Ursache auf den Grund zu gehen.
    Ein paar Tage später musste mein Vater geschäftlich über Nacht verreisen, und Carly kam vorbei, um in meinem Bett Sex mit mir zu haben. Der Luxus, sich in einem richtigen Bett zu lieben, ohne dass die ständige Angst, ertappt zu werden, jede einzelne Bewegung von uns beeinträchtigte, war selten, und wir ließen uns keine Gelegenheit entgehen, diesen Vorteil auszunutzen. Wir waren seit vielleicht zwei Stunden bei der Sache, als es an der Tür klingelte. »Wer ist das denn?«, sagte Carly. Ich lag auf dem Rücken, und sie lag auf mir ebenfalls auf dem Rücken, die Arme und Beine genau über meinen ausgebreitet. Sie lag manchmal gern so da, wenn wir eben fertig waren, mit dem Ziel, dass sich unsere Körpern an so vielen Stellen, wie es physisch möglich war, berührten.
    »Niemand«, sagte ich. »Ignoriere es einfach.«
    Aber das Klingeln ging beharrlich weiter, sodass ich schließlich unter Carly hervor schlüpfte und meine Shorts

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