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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Fleisch sieht man da unten wahrscheinlich keinen Sand mehr.«
    »Hoffentlich«, sagte Michael mit einem anzüglichen Grinsen.
    »Das ist sexistisch. Selbst wenn du über Männer redest.«
    »Dann bin ich eben ein Sexist.«
    Mit Dutzenden anderen pilgerten sie über die unbefestigte Straße in Richtung Strand. »Hier geht’s ja zu wie beim Pioniertreck über den Donnerpaß«, sagte Mona.
    Michael grinste. »Ja. Ein falscher Schritt, und du wirst gefressen.«
     
    Als sie an den Highway kamen, zahlte Mona dem Kartenverkäufer einen Dollar für sie beide.
    »Das geht auf meine Rechnung«, sagte sie. »Du bist in Trauer.«
    Michael hüpfte zu der Treppe hinunter, die über die Klippe führte. »Dann sieh mal zu, wie ich gleich aufblühe, Babycakes!«
    Zwei Minuten später standen sie auf einem breiten weißen Sandstrand. Michael warf einen Kieselstein in die Luft. »Wo sollen wir hingehen? Ans schwule oder ans normale Ende?«
    »Laß mich mal raten.«
    Michael grinste. »Am schwulen Ende ist es weniger windig.«
    »Ich bin aber nicht gerade scharf drauf, über die Felsen dort zu klettern.«
    »Ich werde dich tragen, o Blüte meines Herzens.«
    »Du bist der geborene Gentleman!«
    Arm in Arm marschierten sie auf die kleine Bucht zu, die sich zwischen die Felsen am Nordende des Strands schmiegte. Unterwegs kamen sie an fünf oder sechs herumtollenden Badenden vorbei, die alle nackt waren und so braun wie Fruchtriegel aus dem Bioladen.
    »Sieh dir die an!« seufzte Mona. »Da komm ich mir ja vor wie ein frisch gerupftes Huhn.«
    Michael schüttelte den Kopf. »Das bringt doch nichts. Sie haben keinen Badehosenstreifen.«
    »Keinen was?«
    »Badehosenstreifen. Das ist das Stück weiße Haut, das man sieht, sobald man die Unterwäsche auszieht.«
    »Wer braucht denn so was? Ich hab meine Unterwäsche schon seit Ewigkeiten nicht mehr vor Publikum ausgezogen. Und ich bin lieber durchgehend braun.«
    »Das kannst du halten, wie du lustig bist. Ich will jedenfalls einen Badehosenstreifen.«
    »Du bist bloß prüde, das ist alles.«
    »Vor fünf Minuten war ich noch sexistisch.«
    Mona bückte sich nach einem Stück Seetang und hängte es Michael übers Ohr. »Du bist eine sexistische prüde Schwuchtel, Michael Mouse.«
     
    Auf dem winzigen Fleckchen Strand lagen dreißig oder vierzig nackte Männer. Mona und Michael breiteten ein Badetuch aus. Es trug die Aufschrift Chez Moi ou Chez Toi? und das lebensgroße Abbild eines nackten Mannes.
    Mona schaute sich um und warf dann noch einmal einen Blick auf das Badetuch. »Wie überflüssig. Hast du keine Angst, daß die Leute Vergleiche anstellen?«
    Michael war bereits damit beschäftigt, sein Sweatshirt, sein Bodyshirt und seine Levi’s auszuziehen. Lachend streckte er sich dann in seinem kurzen grüngelben Turnhöschen aus Satin auf dem Badetuch aus.
    Mona zog ihre Levi’s und ihr Top ebenfalls aus. »Na und, wie gefall ich dir als frisch gerupftes Riesenhuhn?«
    »So ein Quatsch. Du siehst fabelhaft aus. Du siehst aus wie … eine Nymphe.«
    »Na, das bringt mir hier aber gar nichts.«
    »Sei dir da mal nicht so sicher. Es grassiert nämlich gerade eine gemeine Heterosexualitätswelle, eine richtige Epidemie. Ich kenne eine ganze Menge Schwule, die sich in die Sutro Baths schleichen und dort mit Frauen anbändeln.«
    »Wie bizarr.«
    »Tja … mit der Zeit verliert eben alles seinen Reiz. Mir hängt es eigentlich längst zum Hals raus, daß ich mir im Lion die Leber ruinieren darf, damit ich dann das Privileg genieße, mit einem Kerl rumzumachen, dessen Mann übers Wochenende in LA. ist.«
    »Heißt das, du wirst hetero?«
    »Das hab ich nicht gesagt.«
    Mona drehte sich auf den Bauch und drückte Michael eine Flasche Bain de Soleil in die Hand. »Reib mir doch den Rücken ein, ja?«
    Michael gehorchte und trug die Lotion in kräftigen Kreisbewegungen auf. »Du hast wirklich einen guten Body, weißt du.«
    »Danke, Babycakes.«
    »Gern geschehen.«
    »Mouse?«
    »Ja?«
    »Findest du, daß ich ein Schwulenmuttchen bin?«
    »Was?«
    »Ich finde schon. Das heißt, ich bin mir sogar sicher.«
    »Du hast wohl mal wieder närrische Pilze gegessen, was?«
    »Eigentlich ist es mir egal, ob ich ein Schwulenmuttchen bin. Es gibt Schlimmeres.«
    »Aber du bist kein Schwulenmuttchen, Mona.«
    »Schau dir doch die Symptome an. Ich hänge mit dir rum, oder etwa nicht? Tanzen gehen wir ins Buzzby’s und ins Endup, und im Palms gehöre ich praktisch zur Einrichtung. « Sie lachte. »Scheiße!

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