Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
Kleiner.«
D’orotheas Klagelied
Wie vereinbart traf sich Brian mit ihr im Washington Square Bar &
Grill.
Sie lehnte dekorativ an der Bar, und ihre braunen Augen sprühten vor Interesse, während sie mit Charles McCabe plauderte. Der Kolumnist schien ähnlich fasziniert zu sein.
»Du kennst ihn?« fragte Brian, nachdem sie sich von Charles McCabe verabschiedet hatte.
»Ich habe ihn eben erst kennengelernt.«
»Du gehst ganz schön ran, was?«
Sie stieß ihn neckisch in die Seite. »Merkst du das jetzt erst?«
Wie sich herausstellte, war D’orothea Model. Sie hatte fünf Jahre in New York gearbeitet und ihr elegantes Gesicht an die Vogue und an den Harper’s Bazaar verkauft, an Clovis Ruffin und Stephen Burrows und »alle anderen, die auf der Afro-Welle mitschwimmen wollten«.
Sie hatte eine Menge Geld verdient, erzählte sie. »Nicht schlecht für ein Mädchen, das vor dem Apostroph in Oakland gelebt hat.«
»Was heißt das, vor dem Apostroph?« wollte Brian wissen.
Sie lächelte. »Ganz einfach. Früher hab ich mal Dorothy Wilson geheißen, aber dann kam Eileen Ford, machte Dorothea daraus und steckte auch noch ein Apostroph zwischen das D und das o .« Sie zog dramatisch die eine Augenbraue hoch. »Seeeehr schick, findest du nicht auch?«
»Ich finde Dorothy ganz gut.«
»Es ging mir ja nicht anders, mein Schatz! Aber mir blieb nur die Wahl zwischen dem Apostroph oder so einem grauenhaften afrikanischen Namen wie Simbu oder Tamara oder Bonzo. Und eher laß ich mich steinigen, als daß ich genauso heiße wie der Schimpanse von Ronald Reagan!«
Brian lachte. Ihm fiel auf, daß ihr Gesicht sogar noch schöner war, wenn sie lebhaft wurde. Er schwieg eine Weile, dann stellte er ihr die nüchterne Frage: »War es hart, in Oakland groß zu werden?«
Sie drehte wie in Zeitlupe den Kopf und blickte ihn aus dichtbewimperten Augen an. »Ah … ich verstehe! Ein Soz-ja-liiist!«
Brian wurde rot. »Nein, nicht direkt …«
»Dann hilf mir mal auf die Sprünge. Bist du vielleicht ein Vista Volunteer? Oder ein Bürgerrechtsanwalt?«
Ihre Treffsicherheit ärgerte ihn maßlos. »Ich habe in Chicago mal für die Urban League gearbeitet, aber ich versteh nicht, was das …«
»Und das ganze Unrecht hat dich so viel Kraft gekostet, daß du deinen Beruf hingeschmissen und dir einen Kellnerjob an Land gezogen hast. Die Leier kenn ich, Baby. Die Leier kenn ich.«
Er schüttete seinen Drink hinunter. »Ich glaub nicht, daß du außer der einen noch eine andere Leier kennst.«
Sie stellte ihren Dubonnet auf den Tresen und sah ihn starr an. »Tut mir leid«, sagte sie leise. »Wahrscheinlich bin ich nervös, weil ich wieder in dieser Stadt bin.«
»Schon vergessen.«
»Du scheinst ein netter Kerl zu sein, Brian. Ich brauche jemanden zum Reden.«
»Einen Therapeuten.«
»Wenn dir danach ist. Hättest du was dagegen?«
»Ich hatte auf etwas Ursprünglicheres gehofft.«
Sie ging auf seine Andeutung nicht ein. »Manchmal hilft es, wenn man sich bei einem Fremden ausspricht.«
Brian bestellte beim Barmann noch einen Drink. »Dann leg los. Der Doktor ist ganz Ohr.«
Sie sah ihn nur selten an, während sie ganz ungeschminkt ihre Geschichte erzählte.
»Vor vier Jahren, als ich in New York gerade meine ersten Erfolge hatte, habe ich bei einer Bademodenkampagne von J. Walter Thompson jemand kennengelernt. Wir waren fast die ganze Zeit zusammen und haben auf Locations überall an der Ostküste Fotos geschossen. Es hat ungefähr drei Wochen gedauert, bis wir uns verliebt hatten.«
Brian nickte und ließ gleichzeitig alle seine Hoffnungen fahren.
»Jedenfalls haben wir uns dieses wunderbare Loft in SoHo eingerichtet und sind zusammengezogen, und ich habe das glücklichste halbe Jahr meines Lebens genossen. Dann ist irgendwas passiert … ich weiß nicht, was … und meine große Liebe hat einen Job in San Francisco angenommen. Wir haben uns danach weiter geschrieben, haben nie ganz den Kontakt verloren, und ich habe immer weiter … Geld verdient.«
Sie trank einen Schluck Dubonnet und schaute ihn zum erstenmal direkt an. »Jetzt bin ich wieder zu Hause, Brian, und wünsche mir nur, daß mein Schwarm wieder ein Teil meines Lebens wird. Aber das hängt allein …«
»Von ihr ab.«
Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Du bist ganz schön fix«, sagte sie.
»Danke.«
»Der Drink geht auf meine Rechnung, okay?«
Wie gewonnen, so zerronnen
Die Zeremonienmeisterin für den Jockey-Shorts-Tanzwettbewerb war
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