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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Er war hochrot im Gesicht.
    »Oh, vielen Dank.« Die Frau hatte Schweißperlen auf der Oberlippe. In einem eindringlichen Flüstern fügte sie hinzu: »Meine Tochter vergöttert Männer mit Haaren auf der Brust.« Sie kicherte in sich hinein und watschelte zu ihrem Stuhl zurück.
    Simon schüttelte matt den Kopf.
    »Der Preis der Berühmtheit«, sagte Mary Ann.
    Brian konnte es sich nicht verkneifen. »Was hat denn die? Den sechsten Sinn?«
    Mary Ann lachte nervös. »Ich hab einen kleinen Beitrag über Simon gemacht. Er ist heute morgen gesendet worden.«
    »Fürchterlich«, sagte der Lieutenant mit gespielter Leidensmiene.
    »Mit bloßem Oberkörper?« fragte Brian.
    »Na ja …«
    »Nur ein kurzer Take vom Joggen«, erklärte ihm Mary Ann. »Wir brauchten ein bißchen Material, wo ich was drübersprechen konnte.«
    Brian machte sich zu ihrem Echo. »Ein bißchen Material zum Drübersprechen. Völlig klar. Tja …« Er setzte sich langsam vom Tisch ab. »Ich werde verlangt.«
    Ein paar Minuten später stellte sie ihn, wie er erwartet hatte, in der Küche zur Rede. »Sag mal, wieso bist du so verklemmt?«
    Er trat zur Seite, um einen Kollegen durchzulassen. »Das geht jetzt nicht. Wir haben Hochbetrieb.«
    »Ich hab einen kleinen Beitrag über ihn gemacht«, flüsterte sie. »Warum regst du dich darüber auf?«
    »Ich reg mich nicht auf. Es … überrascht mich, das ist alles. Du hast doch gesagt, er will nicht ins Fernsehen.«
    »Na gut«, meinte sie achselzuckend. »Hab ich ihn halt überredet.«
    »Richtig. Und ihn bei der Gelegenheit auch noch als Muskelprotz rausgestellt.«
    »Ach komm, Brian.« Sie tauchte unter einem Tablett weg, das Jerry vorbeitrug. »Und wenn schon? He … ich hab auch ’ne Story über den Wettbewerb für Tom-Selleck-Doubles gemacht, und da hast du kein Wort gesagt.«
    Er beugte sich vor und antwortete in einem zornigen Flüstern: »Der Tom-Selleck-Doppelgänger hat aber nicht mit uns unter einem Dach gewohnt!«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann’s nicht fassen, daß du dich davon bedroht fühlst.«
    Ihre mokante Überheblichkeit machte ihn zornig. »Ich möchte wirklich mal wissen, warum du mit ihm ausgerechnet hierher gekommen bist, um deinen großen Mediencoup zu feiern.«
    »Brian …«
    »Ach … geh schon. Ist ja nicht so wichtig.«
    »Brian, hör mir zu. Ich hab ihn mitgebracht, weil ich möchte, daß ihr Freunde werdet. Ich möchte, daß wir Freunde werden, alle drei. Ich hab mir gedacht, es wäre schön, wenn …«
    »Ja, ist ja gut.«
    Sie spürte, daß sein Ärger nachließ, und lächelte ihn zaghaft an. »Ich schätze, mein Timing war beschissen. Das tut mir leid. Soll ich deine Wäsche mitnehmen?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Also, du findest mich dann zu Hause beim Packen.« Sie küßte ihn auf die Wange und verließ die Küche. Als er drei Minuten später wieder hinauskam, waren sie und Simon bereits gegangen.
    Jerry paßte ihn in der Küche ab. »Der Freund von deiner Frau gibt ein großzügiges Trinkgeld.«
    »Er ist auch mein Freund«, gab er zurück.
    »Ach wirklich?« sagte Jerry sarkastisch.
    »Ja, wirklich, du Arschloch.«
    Jerry nickte bedächtig. »Na ja … wenigstens ein bequemes Arrangement.«
    »Was soll das denn wieder heißen?«
    Ein mürrisches Achselzucken. »Hör zu, Mann … ich weiß bloß, was ich gesehen hab.«
    »Nämlich?«
    »Tja … daß der Typ ’ne gewisse Ähnlichkeit mit dir hat. Das ist alles.«
    »Und?«
    »Und? Gar nichts.« Im Weggehen murmelte er noch: »Wenn die Lady zwei Gleiche will, geht’s mich ’n …«
    Den Rest brachte er nicht mehr heraus, denn Brian packte ihn am Kragen, schwenkte ihn herum und rammte ihn an die Wand.
    »Nimm dich in acht«, sagte Jerry. »Du weißt, was Perry gesagt hat. Wenn du hier drin was machst, fliegst du raus.«
    Brian zögerte. »Ein interessanter Gesichtspunkt.«
    Er verstärkte seinen Griff, zerrte den anderen ins Restaurant und verpaßte dem Quälgeist einen rechten Haken. Jerry taumelte rückwärts gegen einen Tisch mit Stapeln leerer Hamburgerplastikbehälter und nahm ihn mit sich zu Boden. Gäste liefen auseinander. Eine Frau kreischte. Die Dicke mit der signierten Speisekarte stand an der Kasse und sah entgeistert herüber. Brian ging zu ihr, nahm ihr die Speisekarte aus der Hand, signierte sie mit dem Kugelschreiber aus seiner Hemdtasche, gab sie ihr zurück und verließ das Lokal, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Er hielt nicht an, bis er nach sechs oder sieben Blocks auf dem Russian

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