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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Hill angelangt war. Sein Herz klopfte wie verrückt, als er vor Swensen’s Ice Cream einen Augenblick verschnaufte und überlegte, was er jetzt tun sollte. Er beschloß, den Rest des Wegs in normaler Gangart zurückzulegen. Falls sein Boss bereits angerufen hatte, würde es seine Erniedrigung nur verschlimmern, wenn er außer Atem nach Hause kam.
    Als er zehn Minuten später in die Wohnung kam, war Mary Ann mitten in den Vorbereitungen für den gemeinsamen Ausflug ins Claremont Hotel. Sie hockte im Badezimmer auf allen vieren am Boden und suchte unter dem Waschbecken nach ihrer Tube Coppertone vom letzten Sommer.
    »Das kann man da bestimmt kaufen«, sagte er.
    »Ich weiß, aber diese Tube hatte meinen Lichtschutzfaktor.«
    »Die haben da bestimmt auch deinen Faktor.«
    Sie stand auf und wischte sich die Hände ab. »Du kommst aber früh von der Arbeit.«
    Er lächelte. »Sie hatten ein Einsehen«, log er. »Ich hab ihnen gesagt, wir müßten unbedingt noch vor dem Feierabendverkehr aus der Stadt.«
    »Hervorragend. Dann mal los.« Sie ging mit raschen Schritten ins Schlafzimmer, und er folgte ihr. »Du wirst es nicht glauben«, sagte sie, »aber ich hab unsere Sachen in einen einzigen Koffer gekriegt.«
    »Prima.« Er schob sich ans Telefon heran, um beim ersten Klingeln den Hörer schnappen zu können.
    »Ich hab deine grün getönte Sonnenbrille eingepackt. Ich war mir nicht sicher, ob du …«
    »Bestens«, sagte er.
    »Na ja, wenn du lieber die andere …«
    Er nahm den Koffer in die Hand. »Ich will los.«
    Auf der Fahrt durch die Stadt und über die Bay Bridge redeten sie kaum. Als der Le Car die Ostseite der Bucht erreichte, sagte Mary Ann, ohne ihn dabei anzusehen: »Weißt du, ich glaube, Simon war heute mittag gekränkt, weil du so kurz angebunden warst.«
    Er zögerte, ehe er antwortete. »Dann … werd ich mich bei ihm entschuldigen.«
    »Machst du das?« Sie warf ihm einen hoffnungsvollen Blick zu.
    Er nickte. »Gleich, wenn wir zurück sind.«
    »Na … wann auch immer. Er mag dich sehr, Brian.«
    »Gut. Ich hab nichts gegen ihn.«
    Sie strich ihm mit der linken Hand über den Schenkel. »Gut.«
    Minuten später tauchte über ihnen an einem grünen Hang das Claremont auf. »Ist es nicht traumhaft?« schwärmte Mary Ann. »Es wird dieses Jahr siebzig.«
    »Ich finde es ein bißchen zu weiß«, meinte er.
    »Tja … Pech für dich.«
    »Du weißt, was ich meine.« Er grinste. »Es sieht aus wie ein Sanatorium in der Schweiz. Sanitarium? Wie heißt das richtig?«
    »Wie?«
    »Komm schon. Das eine ist für Irre, das andere für Schönheitsoperationen und so.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ist doch beides dasselbe.«
    »Nee.«
    Sie sah aus dem Fenster. »Paß auf die Straße auf.«
    Vor dem Hoteleingang überließen sie den Le Car dem Portier und gingen auf ihr Zimmer. Es war sonnig und geräumig und bot einen Blick auf die Tennisplätze. Während der nächsten fünf Minuten redeten sie kaum ein Wort. Sie rauchten einen Joint und zogen ihre Badesachen an, und dann gingen sie hinunter zum Jacuzzi neben dem Schwimmbecken. Die Sonne, das Marihuana und der warme Wasserstrahl, der ihm den Rücken massierte, hatten eine angenehm einlullende Wirkung auf Brian. Die Katastrophe im Restaurant schien nur noch ein böser Traum zu sein.
    Mary Ann tauchte unter, kam wie eine Wassernymphe wieder hoch und besah sich die Fassade des alten Hotels. »Pink«, sagte sie schließlich. »Nein, Pfirsichrosa. «
    Er dachte, er hätte irgendwas überhört. »Was?«
    »Die Farbe, in der sie es streichen sollten.«
    Er sah am Hotel hoch und lächelte sie an.
    Sie erwiderte das Lächeln und rieb ihren Fuß an seiner Wade.
    »Weißt du was?« fragte er.
    »Was?«
    »Ich kenne niemand, den ich so gern habe wie dich.«
    Sie ließ ein paar Sekunden verstreichen, ehe sie antwortete.
    »Warum sagst du mir dann nicht die Wahrheit?«
    Ihre Miene sagte alles. »Du hast einen Anruf bekommen?« fragte er.
    Sie nickte.
    »Von Perry?«
    Wieder ein Nicken.
    »Hat er mich gefeuert?«
    »Brian … du hast dem Kerl den Kiefer gebrochen. Sie hätten auch die Polizei holen können.«
    Er dachte darüber nach, sagte aber nichts.
    »Er ist ins St. Sebastian’s gekommen. Sie haben ihm den Unterkiefer mit Draht zusammengeflickt.«
    Er nickte.
    »Was war’s denn diesmal?«
    Er hatte keine Lust, auch noch Eifersucht auf die Liste seiner Kardinalsünden zu setzen. »Spielt doch keine Rolle«, sagte er.
    »Na prima. Toll.«
    »Paß auf … er hat wieder ’ne

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