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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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sich einfach als … Vermittler ausgegeben. Sie haben wahrscheinlich geahnt, daß er der Vater war, aber sie haben es nie ausgesprochen. Ihnen war nur wichtig, daß sie einen wunderbaren Sohn hatten, für den sie sorgen konnten.«
    »Simon hält sie also für seine leiblichen Eltern?«
    »Alle tun das. Die Bardills waren fast drei Jahre aus England weg. Sie erzählten ihren Bekannten, er sei während ihres Aufenthalts in Malta in einem Krankenhaus zur Welt gekommen … was ja auch stimmte. Mr. Bardill ließ sogar … ich weiß nicht, wie … eine Geburtsurkunde ausstellen. Er war Anwalt, wissen Sie.«
    »Aber, angenommen, Simon …«
    »… wäre nicht gewachsen? Tja, aber so ist es eben nicht gekommen.«
    »Nein.«
    »Es war nicht anständig von uns – das gebe ich zu –, aber es hat damals die Probleme aller Beteiligten gelöst.«
    Michael warf einen Blick auf das Problem unter der Daunendecke. »Und dieser Bursche … ist hergekommen, um auszupacken … und hat erwartet, daß ihm Simon Schweigegeld zahlt?«
    »Nicht direkt. Sicher, er wollte Geld … aber er dachte, Simon wüßte schon alles über ihn.«
    »Haben Sie ihm das gesagt?«
    Sie nickte. »Ich dachte, es würde ihn davon abhalten, zu Simon zu gehen. Das war leider ein Irrtum. Es hat ihn nur in Rage gebracht.« Sie warf dem Vater ihres Sohnes einen strafenden Blick zu. »Er ist ja so jähzornig, dieser Mensch.«
    Michael wollte nichts Passendes einfallen, was man in dieser Situation hätte sagen können. Miss Treves merkte, daß er sich unwohl fühlte, und lächelte mitfühlend. »Es ist ein bißchen viel, nicht?«
    Er ließ noch einen Augenblick verstreichen, ehe er fragte: »Was soll ich also der Polizei sagen?«
    »Alles«, sagte sie. »Nur nicht, warum er hergekommen ist.« Sie wandte sich an Wilfred. »Das macht die Sache für deinen Vater nicht schlimmer, mein Lieber. Sie waren beide betrunken … das ist eindeutig … und sie sind in einen sinnlosen Streit geraten. Bunny kam draußen vorbei … und machte zuviel Lärm … Das ärgerte deinen Vater, und sie kriegten sich in die Haare. Ich bin sicher, die Polizei wird feststellen, daß er an einem Herzschlag gestorben ist.«
    Michael hatte Bedenken. »Aber könnten sie ihn nicht mit Simon in Verbindung bringen?«
    »Wie denn? Ich selbst habe Bunny mehr als zwanzig Jahre nicht gesehen. Sie haben gar keinen Grund zu der Vermutung, es könnte eine Verbindung zu mir geben …«
    »Und wenn Wilfreds Vater zurückkommt?«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Das wird er nicht.«
    Miss Treves sah ihn mitleidig an. »Vielleicht doch, mein Lieber. Aber ich glaube nicht, daß ihm die Polizei die alleinige Schuld …«
    »Ist doch egal. Macht mir nichts aus.«
    »Natürlich macht es dir etwas aus. Sei nicht albern.«
    Wilfred schüttelte lächelnd den Kopf.
    Miss Treves setzte sich auf und tastete mit ihren winzigen Füßen nach dem Boden. Als sie aufstand, schwankte sie ein wenig – zweifellos wegen des Cognacs, doch sie wirkte recht entschlossen, als sie sich dem Toten näherte.
    »Was wollen Sie denn?« fragte Michael.
    Sie kniete neben der Leiche nieder. »Etwas suchen.«
    Michael wurde zunehmend nervös, während sie Bunny Benbows Taschen durchsuchte. »Ich finde, Sie sollten das nicht tun. Die Polizei könnte merken, daß jemand …«
    »Wir haben nur nach Ausweispapieren gesucht«, meinte sie knapp. »Das ist ganz begreiflich. Ah!« Sie hatte gefunden, was sie suchte: Benbows zerfledderten Ausschnitt aus dem Mirror – FUNKER DER QUEEN MISCHT FRISCO AUF. Sie hielt ihn Michael hin. »Verbrennen Sie das, mein Bester.«
    Michael steckte den Artikel in die Tasche. »Hat er sonst noch was bei sich?«
    Ihre Durchsuchung fördert nur ein paar Münzen und eine Christophorus-Medaille zutage. Sie wischte sich die Hände ab und stand auf. »Also … sind wir uns einig?«
    »Ich glaub schon«, sagte Michael.
    Sie wandte sich an Wilfred. »Und du, mein Lieber?«
    Der Junge nickte.
    »Gut. Dann mache ich mich jetzt wieder auf …«
    »Moment«, platzte Michael heraus. »Wo sollte die Leiche liegen, wenn die Polizei eintrifft?«
    »Ach so, ja … also, ich denke, wir sollten ihn wieder in den Hausflur legen, meinen Sie nicht? Dann können Sie sagen, daß er ins Haus eingedrungen ist, als … der Vater des Jungen die Tür aufgemacht hat. Sie hätten ihn natürlich auch hier reinschaffen können … Nein, der Hausflur ist wohl am besten. Wenn Sie so nett wären …«
    Michael und Wilfred schleiften also Bunny Benbow

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