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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Die anderen.«
    »Sind das nicht Ihre Freunde?«
    »Ich mach das sonst nie«, sagte sie, ohne auf seine Frage einzugehen. »Ich hasse es, heimlich zu sniefen. Aber wenn ich denen davon anbiete, werd ich sie nicht mehr los. Ich weiß doch, wie sie sind.«
    »Mhm.«
    Plötzlich griff sie nach seiner Hand. »Hab ich Ihnen schon die Höschensammlung von Bix gezeigt?«
    Es kränkte ihn ein wenig, daß sie es schon wieder vergessen hatte. »Ja. Letztes Mal. Bei der Versteigerung.«
    »Ach ja. Stimmt ja.« Sie lächelte schuldbewußt. »Hirnschaden.«
    »Macht doch nichts.«
    »Ich zeig sie nicht jedem. Nur den richtigen Leuten.«
    Er nickte.
    »Sie sind ein guter Typ, Brian.«
    »Danke, Theresa.«
    »Terry«, sagte sie.
    »Terry.«

Das Phantom im Herrenhaus
    Ander Tour nahmen insgesamt elf Leute teil, von denen sechs Amerikaner waren. Der Fahrer fungierte gleichzeitig als Touristenführer und begann mit seinem Vortrag, als der Bus das Dorf hinter sich ließ und in das satte Grün der Landschaft eintauchte.
    »Meine Damen und Herren, wir besichtigen heute Easley House, die bedeutendste Sehenswürdigkeit von Easley-on-Fen. Easley House ist ein Herrensitz, der in herausragender Weise den jakobethanischen Stil verkörpert.« Er sagte das mit dem mechanischen Glucksen, das Fremdenführern in aller Welt eigen ist. »Ganz recht. Sie haben richtig gehört. Jakobethanisch. Das ist eine Kombination aus jakobianisch und elisabethanisch, müssen Sie wissen. Das Gebäude wurde zwischen fünfzehnhundertsiebenundachtzig und sechzehnhundertfünfunddreißig von den Ashendens aus Easley-on-Fen gebaut, einem Adelsgeschlecht aus Gloucestershire, das bereits seit der Zeit vor der normannischen Eroberung Ländereien in der Grafschaft besaß.«
    Wilfred hielt sich die Hand vor den offenen Mund, als müßte er gähnen.
    Michael lächelte ihn an. »Es war deine Idee«, sagte er leise.
    »Sie ist deine Freundin«, sagte der Junge.
    »Darauf würd ich mich nicht verlassen«, gab Michael zurück. Er sah aus dem Fenster und betrachtete eine Schafherde auf einer Wiese. »Ich verlaß mich auf nichts.«
    Der Bus verlangsamte die Fahrt, als sie Easley-on-Fen erreichten – ein Bilderbuchdorf, in dem sämtliche Gebäude aus bröckeligem dunkelbraunem Kalkstein bestanden. Ein oder zwei Minuten schaukelten sie durch einen Hohlweg, dann zerteilte die schmale Straße eine Wiese mit weidenden Schafen, und schließlich tauchte der Herrensitz vor ihnen auf.
    »Sieh dir das an, Mann«, sagte Wilfred in beinahe ehrfürchtigem Ton.
    »Ich seh es«, murmelte Michael. »Donnerwetter.«
    Easley House hatte denselben brünierten Effekt wie das Dorf und war ein Konglomerat von Spitztürmchen, Kaminen und hohen geteilten Fenstern, deren Scheiben in der Sonne blitzten. Es war größer, als er es sich vorgestellt hatte. Viel größer.
    »Sie muß im Drogengeschäft sein«, meinte Wilfred.
    Einige hundert Meter vor dem Haus hielt der Fahrer auf einem Parkplatz (hier hieß das »Car park«). Alle stiegen aus und versammelten sich in einer passiven Gruppe wie eine Kompanie frischer Rekruten, die auf Befehle wartet. Der Fahrer mit seiner lauten Stimme, seinen abgedroschenen Anekdoten und dem befremdlichen Grinsen, bei dem er seine schlechten Zähne bleckte, hätte in der Tat einen passablen Schleifer abgegeben.
    »Von hier gehen wir zu Fuß weiter. Easley House ist die Privatresidenz von Lord Edward Roughton. Er ist der Sohn von Clarence Pirwin, dem vierzehnten Earl of Alma … ich verlasse mich darauf, daß wir uns das alle merken und uns von nun an entsprechend benehmen.«
    Wilfred machte ein blubberndes Geräusch.
    Der Fahrer überhörte diesen Einwurf und fuhr fort: »Das erste Gebäude zu Ihrer Linken ist der strohgedeckte Tennispavillon, der aus den zwanziger Jahren stammt. Gegenüber sehen Sie die Zehntscheuer, die gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts die Äbte von Easley errichten ließen. In ihr wurden die Feldfrüchte gelagert, die ihre Bauern an sie abzuliefern hatten. Die Fensterluken im Giebel dienten der Belüftung … und was noch?« Er schaute in die Runde, bleckte seine Roquefortzähne und wartete auf eine Antwort. Es kam keine. »Keine Idee? Nun … das war der Privateingang für die Eulen. Die brauchte man, müssen Sie wissen, damit sich die Ratten und Mäuse nicht zu sehr vermehrten.«
    Vier oder fünf aus der Gruppe gaben zu erkennen, daß sie die Luken sahen. »Siehst du, Walter?« sagte eine Amerikanerin und zupfte ihren Mann am Ärmel. »Siehst du

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