Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen
das, ja?«
»Aber gern.« Sie schnupperte an seiner Achselhöhle. »Puh, ist das potent. Laß das bloß nicht die Drachenlady riechen.« Sie küßte ihn seitlich auf den Hals und stand auf. »Ich hab heute morgen das Auto innen saubergemacht.«
»Prima. Danke.«
»Es steht in der Union Street, neben dem Bei-Air. Ich glaub, Benzin ist noch genug drin.«
Er stand auf. »Du, es tut mir leid, wenn …«
»He«, unterbrach sie ihn. »Keine Entschuldigungen. Ist doch alles bestens.«
Eine ausgiebige heiße Dusche möbelte ihn wieder auf. Er zog seinen Bademantel über, und als er ins Schlafzimmer kam, saß Mary Ann auf dem Bett. Er ging zum Kleiderschrank und stellte fest, daß der Babysticker an der Spiegeltür klebte. Er drehte sich um und sah sie an.
Sie hatte darauf gewartet und sagte mit einem zögernden Lächeln: »Ich hab gedacht, wir kleben ihn schon mal irgendwohin. Bis wir wissen, wo wir das Kinderzimmer einrichten.« Ihre Miene drückte zärtliche Entschlossenheit aus. Er ging vor ihr in die Hocke und legte ihr den Kopf in den Schoß. Sie strich ihm die Haare glatt. »Ich will es auch«, sagte sie leise.
Es war kurz vor drei, als er in Hillsborough vor dem weitläufigen Haus von Theresa Cross eintraf. An den Seiten der gigantischen Auffahrt zum Haus der Rockwitwe war reichlich Platz zum Parken. Er stellte den Le Car zwischen einem Rolls und einem Mercedes ab und schämte sich, daß er dabei ein peinliches Gefühl hatte. Ausgerechnet hier sollten solche Dinge wirklich keine Rolle spielen. Schließlich war es Bix Cross gewesen, der ihn gelehrt hatte, materiellen Werten mit Mißtrauen zu begegnen.
Er ließ sich von einem lateinamerikanischen Dienstmädchen den Weg erklären, und nachdem er ein perlgraues Wohnzimmer durchquert hatte, stieß er auf eine Gruppe von Gästen, die am Swimmingpool heftig dem Alkohol zusprachen. Sie hatten die Zielstrebigkeit einer Ameisenkolonie, die sich vorgenommen hat, etwas Großes und Totes von da nach dort zu transportieren.
Ein Mann löste sich aus dem plaudernden Zirkel, als hätte ihn eine mysteriöse Zentrifugalkraft abdriften lassen. Er war Anfang vierzig und hatte ein nichtssagendes, gebräuntes Gesicht. »Hallo«, sagte er und streckte die Hand aus. »Ich bin Arch Gidde, Theresas Makler und ständiger Begleiter.«
»Hallo. Brian Hawkins.«
»Ich nehme an, Sie suchen die Dame des Hauses.«
»Gewissermaßen, ja. Das hier ist wohl die Party.« Es war ein dummer Spruch, aber er fühlte sich gehemmt, weil er niemanden kannte.
»Das ist sie«, meinte Arch Gidde mit einem abfälligen Grinsen. Er warf einen Blick auf das üppige Büffet, das kaum jemand angerührt hatte. »Wenn ich daran denke, wie viele Lachse dafür umsonst ihr Leben lassen mußten.«
»Äh … hat sie denn mehr Leute erwartet?«
Wieder das Grinsen. »Sehen Sie irgendwo Grace Slick? Oder Boz Scaggs? Oder wenigstens Ann Getty?«
Was, zum Teufel, sollte man darauf antworten? »Hat das … äh … einen bestimmten Grund?«
»Ach Gott, Sie wissen es noch gar nicht? Und jede Wette, daß Sie einer von Theresas Rock’n’Roll-Freunden sind. Quelle Pleite. Sie haben das große Ereignis verpaßt.« Er seufzte theatralisch. »Wir alle haben es verpaßt.« Er beugte sich vor und senkte verschwörerisch die Stimme. »Yoko Ono gibt in ihrer Suite im Clift einen kleinen Empfang.«
»Äh … Sie meinen, heute?«
Der Makler nickte grimmig. »In diesem Augenblick.«
»Na so was.« Mehr brachte er nicht heraus.
»Und Madame ist sauer. Madame ist äußerst sauer. Den ganzen Nachmittag über haben sich ihre Gäste abgesetzt, einer nach dem anderen.«
»Verstehe.« Großer Gott. Yoko Ono in San Francisco.
»Also«, fuhr Arch Gidde fort, »hat sie sich in ihre Gemächer zurückgezogen, um etwas für ihre Contenance zu tun.« Er tippte mit dem Zeigefinger an seinen Nasenflügel. Dann kniff er die Augen zusammen und musterte Brian. »Sie kommen mir irgendwie sehr bekannt vor.«
Brian zuckte mit den Schultern. Lackaffen wie den hier hatte er in seiner Karriere als Kellner massenhaft bedient. »Ich glaube nicht, daß wir uns kennen.«
»Möglich. Aber ich habe einfach das Gefühl …«
»Was ist denn der Anlaß der Party?«
»Die hier? Oder die andere?«
»Die andere. Ich meine … warum ist Yoko Ono in der Stadt?«
»O Gott.« Der Makler hielt sich die Hände vors Gesicht. »Davon weiß Mutter Theresa noch gar nichts … Mrs. Lennon sucht hier ein Haus.«
»Sie meinen … sie will hierherziehen?«
Sein
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