Stählerne Jäger.
strich ihr die Haare aus der schweißnassen Stirn. Der Raum war so eingerichtet, dass er eher wie ein gewöhnliches Schlafzimmer als ein steriles Krankenhauszimmer aussah – mit einem Krankenbett, das einem normalen Bett glich, einer Sitzgruppe mit einer Couch und zwei Sesseln, einem hübschen Toilettentisch und geschmackvoll gerahmten Reproduktionen an den Wänden.
Zerstört wurde dieser angenehme Eindruck jedoch durch einen Wagen mit mehreren Monitoren und einen IV-Ständer mit zwei großen Glasflaschen, aus denen dünne Schläuche in Wendys rechten Arm führten. Paul runzelte bei diesem Anblick besorgt die Stirn. »Patrick?«
»Paul!«, rief Patrick aus. »Was tust du hier? Ich dachte, heute Abend trittst du deinen Dienst an?«
»Ich bin zur South Station unterwegs, um mich zum Dienst zu melden, und wollte mir im Vorbeifahren euer neues Baby ansehen – aber ich merke schon, dass es noch nicht da ist.« Paul trug eine blaubraune Gore-Tex-Jacke, aber als er sie jetzt auszog, sah Patrick, dass er darunter seine Uniform anhatte. »Ich bin offiziell noch nicht im Dienst, deshalb musste ich was drüberziehen«, erklärte Paul ihm. Er trug Aufnäher des Sacramento Police Departments auf beiden Jackenärmeln, ein schlichtes Namensschild aus Messing und unter seiner Uniformjacke einen dunkelblauen Rollkragenpullover mit den am Kragen eingestickten Buchstaben SPD. Seine Schuhe waren blitzblank geputzt. Er trug keinen Schulterriemen, aber eine kleine Pistole in dem mit einem Clip befestigten Halfter am Gürtel. Insgesamt die Standardausrüstung – bis auf eine kleine Nadel mit der amerikanischen Flagge über seinem Namensschild.
Mann, sieht der Junge in Uniform gut aus!, sagte Patrick sich.
Die Uniform des Sacramento Police Departments – vor allem für Rookies – war schmucklos schlicht, aber an seinem kleinen Bruder wirkte sie elegant wie ein Smoking. Oder lag das nur daran, dass sein kleiner Bruder sie trug ?
Was Patricks Blick vor allem anzog, war natürlich die Polizeiplakette: ein großer silberner siebenzackiger Stern mit den Worten Sacramento Police und der schwarzen Nummer 109, der vermutlich nicht viel anders aussah als die Plaketten des Sacramento Police Departments zur Zeit des Goldrauschs. Patrick kannte die Geschichte der Plakette Numme r 109 – sie hatte schon ihrem Vater, ihrem Großvater und davor ihrem Urgroßvater gehört, damals noch aus echtem Silber, nicht wie heute verchromt. Shane McLanahan, der erste Cop der Familie, hatte noch keine Nummer getragen, aber da er der neunte Polizeibeamte der Stadt Sacramento gewesen war, hatten die McLanahans bei der Einführung von Nummern erst die 9 und mit der Vergrößerung der hiesigen Polizei die 109 erhalten. Paul war stolz darauf, sie zu tragen. In einem Beruf, in dem man jeden Augenblick den Tod finden konnte, war es richtig und beruhigend, ein Gefühl historischer Kontinuität zu empfinden, als mache die Plakette ihren Träger unbesiegbar.
»Komm, setz dich zu mir«, forderte Wendy ihren Schwager auf. Ihre Stimme klang vor Schmerzen und Müdigkeit heiser, aber sie rang sich ein Lächeln ab und streckte ihm die Hand hin.
Paul fand einen Platz für seinen Blumenstrauß, küsste sie auf die Stirn und zog sich einen Stuhl ans Bett. »Du siehst großartig aus, Paul«, sagte sie. »Jetzt geht's los, was? Deine erste Nacht im Dienst – wie aufregend!«
»Ich dachte, ihr zieht euch erst um, wenn ihr zum Dienst kommt?«, warf Patrick ein.
»Stimmt, aber ich habe heute Nachmittag an einem MDT-Kurs teilgenommen – MDT bedeutet Mobile Data Terminal, das Kommunikationsterminal in unseren Streifenwagen –, und musste dafür Uniform tragen«, erklärte Paul ihm. »Auf der Akademie wird MDT nicht unterrichtet, weil jede Polizei ihr eigenes System benutzt, aber ich wollte mich damit auskennen, bevor ich erstmals Streife fahre.
»Aber wir wollen jetzt nicht über mich reden«, fuhr Paul fort.
»Als ich heute Morgen gehört habe, dass ihr ins Mercy unterwegs seid, habe ich schon gedacht, das Baby würde auf dem Rücksitz des Autos zur Welt kommen. Hey, Patrick, vielleicht solltest du lieber draußen warten – es hat offenbar Angst davor, rauszukommen und dir gegenüberzutreten.« Sein Lächeln verschwand, als er sah, dass sein Bruder und seine Schwägerin nicht auf diesen Scherz reagierten. »Gibt's etwa Komplikationen?«
»Die Wehen kommen regelmäßig, aber der Muttermund ist erst auf drei Zentimeter erweitert«, antwortete Patrick, indem er wiedergab,
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