Stählerne Schatten
Hongkong zu überfliegen…
… erreichten die Küste jedoch bei der Stadt Shelang in der Provinz Guangdong der Volksrepublik China. Sie überflogen China, um Ziele im Iran anzugreifen.
»Scheiße, ich kann es kaum glauben«, sagte Jamieson, »aber wir tun es wirklich. Wir sind eben mit einem bewaffneten strategischen Bomber in den chinesischen Luftraum eingedrungen.«
Im Augenblick machte ihnen der riesige chinesische Marine- und Luftwaffenstützpunkt Guangtschou die meisten Sorgen.
Schon kurz nach ihrer Luftbetankung hatten sie aus reichlich dreihundert Meilen Entfernung starke Radarsignale empfangen. Guangtschou war mit Luftabwehrsystemen gespickt –
hauptsächlich mit veralteten sowjetischen Systemen wie dem »fliegenden Telefonmast«, der noch aus dem Vietnamkrieg bekannten Fla-Lenkwaffe SA-2 mit großer Reichweite –, und die Chinesen hatten auch Jäger in der Luft. Der Radarwarner der B-2A zeigte, daß das vor allem MiG-21, aber auch einige moderne Su-27 waren. »Jedenfalls ist die chinesische Luftwaffe heute abend hellwach«, meinte Jamieson. »Nachtübung, hoffe ich.«
In diesem Augenblick glitt der Radarstrahl eines chinesischen Jägers Xian J-7, eines Nachbaus der russischen MiG-21, über den Stealthbomber B-2A, und das grüne Dreieck, das sein Zielsuchradar darstellte, wurde gelb. »Scheiße, diese MiG-21
hat uns erfaßt!« rief Jamieson laut. »Sie ist bei acht Uhr, zwanzig Meilen.«
»Wenn wir abgefangen werden, gehen wir am besten im Sturzflug runter und weichen über Laos oder Birma aus«, wiederholte McLanahan ihren hastig erstellten Notfallplan. »Bis zur laotischen Grenze sind es ungefähr fünfhundert Meilen.
Dort im Südwesten haben die Chinesen kaum Radarstationen. «
»Wenn er uns sichtet, müssen wir Dusel haben, damit wir’s fünf Minuten lang schaffen, von fünfhundert Meilen ganz zu schweigen«, murmelte Jamieson. Aber zum Glück verlor das Zielsuchradar des Jägers sie gleich darauf und erfaßte sie nicht wieder. »Jesus, das war knapp!«
Aber dabei blieb es nicht. Nur wenige Minuten später begann ein weiterer Jäger – eine russische Su-27, ein weit modernerer Jagdbomber – den Nachthimmel nach der B-2A abzusuchen und erfaßte sie schon nach wenigen Sekunden. »Die Su-27 hat uns«, sagte McLanahan. »Sieben Uhr, fünfzehn Meilen.«
»Verdammt, wie kommt das?« fragte Jamieson. »Schalterkontrolle!« Aber die Überprüfung ihrer Statusseiten auf dem MDU zeigte, daß alles in Ordnung war: Sie befanden sich im COMBAT-Modus und hatten alle Stealth- und Abwehrsysteme eingeschaltet, die einwandfrei arbeiteten. »Das sind zwei nacheinander. Hängt irgendwas unter dem Rumpf heraus?«
»Daran könnte es liegen«, vermutete McLanahan. »Versuch mal eine Linkskurve.« Sobald sie auf den Jäger zudrehten, verwandelte das gelbe Zielerfassungsradar sich tatsächlich in ein grünes Suchradar, und der Jäger bemühte sich vergeblich, sie wieder zu erfassen. Da er nicht näher als zehn Meilen an sie herankam, konnte er die B-2A nicht sehen – auch mit seinem Nachtsichtgerät nicht.
»Das habe ich befürchtet«, sagte Jamieson. »Die B-2A ist viel schwieriger zu warten als jeder andere Bomber. Die Wartungstechniker müssen speziell geschult sein, um zu wissen, worauf sie zu achten haben, damit die Stealtheigenschaften erhalten bleiben. Eine nicht richtig festgedrehte Schraube, ein nicht völlig glatter Stoß oder eine Delle in der Außenhaut kann den Radarquerschnitt schon ums Zwei- bis Dreifache vergrößern.«
Jamieson nickte McLanahan zu. »Wir müssen eine Entscheidung treffen, Kumpel. Die meisten chinesischen Jäger sind ziemlicher Schrott, aber jetzt haben uns schon zwei mit ihrem Radar erfaßt und sind auf Raketenschußweite herangekommen. Der Iran hat weit modernere Jäger; Indien und Pakistan natürlich auch. Birma ist unsere letzte Chance, wenn wir das Unternehmen abbrechen wollen.«
McLanahan wußte, daß ihnen keine andere Wahl blieb – dieser Einsatz war zu gefährlich geworden. »Okay, ich bin deiner Meinung«, sagte er. »Wir könnten es vielleicht schaffen, aber das Risiko wäre zu hoch. Wir drehen über Birma ab; sobald wir außer Radarreichweite der Chinesen sind, fordere ich von Andersen einen Tanker an.« Im Hinterkopf hatte er dabei auch Wendys überraschende Mitteilung, daß er Vater werden würde. Er durfte nicht riskieren, daß sein erstes Kind ohne ihn aufwachsen mußte.
Während McLanahan ihre Status- und Abbruchmeldung verfaßte, die über Satellit
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