Stählerne Schatten
Männer, die nach einer Notlandung in Gefangenschaft geraten, werden binnen zehn Minuten geschnappt. Je weiter ihr in dieser Zeit von der Notlandestelle wegkommt, desto besser ist es also.
Marschiert nur nachts, vermeidet jeglichen Kontakt mit der Bevölkerung und bewegt euch tagsüber bloß, um euch zu orientieren, bevor ihr wieder untertaucht«, führte Chris Wohl weiter aus. «Schlagt euch zum nächsten Abholpunkt durch, aber bleibt von Straßen, Eisenbahnen, Flüssen oder Bächen weg, denn dort lauern euch die Gegner auf. Der Versuch, in der einheimischen Bevölkerung unterzutauchen, ist ein Hollywood-Stunt, aber keine brauchbare Flucht- und Ausweichtechnik. Nehmt keinen Kontakt mit Einheimischen auf, außer ihr seid verwundet – aber dann muß die Verwundung schon sehr schlimm sein, denn sobald ihr jemanden um Hilfe bittet, werdet ihr gefangengenommen und wahrscheinlich gefoltert, was erheblich schlimmer sein wird.
Erreicht ihr einen Abholpunkt, marschiert nicht geradewegs darauf zu, sondern nehmt euch die Zeit, ihn ein paar Stunden lang zu beobachten. Läßt es sich machen, kehrt ihr sogar um und kontrolliert den Anmarschweg – wir wollen nicht, daß die Iraner sich in den Hinterhalt legen, um eure Retter abzufangen.
Und denkt daran, die Abholpunkte für Kameraden zu erhalten, die vielleicht später mal Pech haben und sie dann brauchen.
Kommt nicht erst aus eurem Versteck gekrochen, wenn ihr den Engel herabschweben seht, sondern tarnt die gesamte Umgebung, bevor ihr abgeholt werdet, damit die Iraner Mühe haben, die Verstecke zu finden. Noch Fragen?«
Niemand meldete sich.
»Okay, Männer, ich will nur noch eines sagen«, fuhr Wohl fort. »Beim vorigen Unternehmen sind drei Mann – auch Major Briggs – verwundet worden. Sie kommen wieder auf die Beine, sind aber für einige Wochen außer Gefecht. Nach letzten Meldungen waren sämtliche Fla-Waffen von den Tumb Islands nach Abu Musa verlegt worden; daß das eine Falschmeldung war, haben wir erst zu spät gemerkt. Pech für uns. Aber Scheiße passiert eben manchmal. Laßt deshalb nicht den Kopf hängen.
Vergeßt das letzte Unternehmen und konzentriert euch auf dieses. Wir ziehen los, um Oberst White und unsere Kameraden zu finden und heil zurückzubringen.
Heute nacht sollen wir Unterstützung bekommen – anscheinend plant eine andere ISA-Zelle einen Entlastungsangriff«, sagte Wohl. »Vielleicht bringt er die Iraner aus dem Gleichgewicht, vielleicht auch nicht. Denkt nicht weiter daran, und konzentriert euch auf unseren Einsatz. Wir gehen rein, sichern die Flucht- und Ausweichräume, retten alle, die vielleicht dort drüben auf uns warten, und kommen lebend zurück. Also los, schafft euer Zeug an Bord!«
Da Wohl die Männer für dieses Unternehmen persönlich ausgesucht hatte, sah er ihnen nicht richtig ins Gesicht, während er unmittelbar vor dem Anbordgehen ihre Ausrüstung kontrollierte. Im allgemeinen konnte er jeden seiner Männer an seinem Körperbau, seiner Haltung, seinen Waffen oder seiner Stimme erkennen. Jetzt kam er zu dem letzten und wichtigsten Mann seiner Gruppe, der die Koordination zwischen der CV-22-Besatzung und dem Stoßtrupp übernehmen würde. Monroe hatte seine Helmmütze tief ins Gesicht gezogen, um sein Gesicht vor der eisigen Kälte in dem Hangar zu schützen.
»Alles klar heute nacht, Monroe?« fragte Wohl. Keine Antwort, nur ein hochgereckter Daumen und ein ziemlich nervöses Scharren mit den Füßen. Wohl sah genauer hin und stellte fest, daß der aus dem Wollfäustling ragende rechte Zeigefinger Monroes den Schutzbügel über dem Abzug seiner Uzi mit Schalldämpfer umfaßte. Mann, sagte er sich, der kann’s kaum noch erwarten…
… aber leider konnte er nicht mit! «Sie sind ein blöder Hundesohn, Briggs«, knurrte Gunnery Sergeant Chris Wohl halblaut. »Wie kann man bloß so dämlich sein? Haben Sie wirklich geglaubt, ich würde nicht merken, daß Sie an Bord sind?«
Hal Briggs nahm die Helmmütze ab. »Wie haben Sie mich erkannt, Gunny? Sie haben mir nicht mal ins Gesicht gesehen.«
»Sie stecken als einziger Ihren Zeigefinger aus dem Handschuh und umfassen den Schutzbügel vor dem Abzug Ihrer Waffe, wenn Sie nervös sind«, erklärte Wohl ihm. »Das ist mir gleich beim ersten Einsatz aufgefallen. Was zum Teufel tun Sie hier? Ich dachte, der Fliegerarzt hat Ihnen noch eine Woche Bettruhe verordnet?«
»Ich hab die Schnauze voll von Bettruhe«, sagte Briggs. »Mir geht’s wieder gut. Ich bin
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