Stahlhart
raus, also musste eine neue Tat her.«
»Aber der Überfall in Hemelingen, der ganz anders ablief, weil der Täter am Tag in die Bank ging. Wie passt das rein?«
»Ich weiß es nicht genau, aber wahrscheinlich wollte oder musste Roland schnell handeln, er glaubte es jedenfalls. Deshalb hatte er keine Zeit, sich vorzubereiten und die Verhältnisse auszukundschaften. Er wusste nicht, wo der Filialleiter wohnt. Weil er meinte, schnell handeln zu müssen, ging er den direkten Weg.«
»Stimmt. Ich war kurz vorher mit Britta aus dem Urlaub gekommen, und wir hatten Rainer auf dem Flughafen getroffen. Er wollte Britta nicht begrüßen, die sich gerade eine Zeitung holte, und musste sofort weg.«
»Passt alles ineinander«, stellte Jens fest.
»Aber der Kugelschreiber?«
»Wahrscheinlich hat er dir den Kugelschreiber geklaut, als du mal nicht daran dachtest. Dann hat er den in Wildeshausen fallen lassen. Deine Fingerabdrücke waren ja drauf«, erklärte Jens.
»Jetzt, wo du es sagst, kann ich mich auch schwach erinnern, was mit dem Kugelschreiber war. Ich hatte mich mit Roland im Lankenauer Höft verabredet. Roland wollte sich Notizen machen, und ich lieh ihm den Stift. Danach hatte ich durch das intensive Gespräch vergessen, den Kugelschreiber zurückzufordern«, erinnerte sich Rainer.
»Siehst du, aber du kamst aus der Situation wieder raus. Also die nächste Tat. Wahrscheinlich hat er auch das große tägliche Boulevardblatt informiert, ich war es jedenfalls nicht. So wuchs der Druck auf die Polizei gewaltig, und du warst im gesamten Land gebrandmarkt. Er hat wahrscheinlich auch dafür gesorgt, dass der seinerzeit unschuldig verhaftete ehemalige Knacki aus der Untersuchungshaft entlassen oder der Anwalt informiert wurde. Er wollte keinen Unschuldigen als Täter, er wollte dich! Und als er merkte, dass du dich aus allem rauswinden kannst, hat er den direkten Weg eingeschlagen und wollte dich umbringen. Aber wieder hast du überlebt. Und jetzt hat er sich Britta geholt! Du weißt doch selbst, dass Eifersucht eines der stärksten und häufigsten Motive darstellt.«
»Aber wie passt die Sache mit Ulf in die Geschichte?«, fragte Rainer nach.
»Davon habe ich keinerlei Vorstellungen. Vielleicht war er Komplize, vielleicht ist das eine ganz andere Geschichte, vielleicht war Roland sauer, dass Ulf seine Arbeitsweise kopiert hat. Ich weiß es nicht. Ist auch letztlich unwichtig. Wir müssen den Fall nicht aufklären.«
»Aber wenn ich ehrlich bin, Restzweifel bestehen noch.«
»Das ist dein gutes Recht. Ist ja auch nur eine Theorie, aber in der passt alles haargenau zusammen.«
»Noch etwas ist mir unklar: Seinerzeit der Fall Voss. Irgendetwas muss der doch mit unserer Geschichte zu tun haben. Zwar war der Täter erschossen worden, dann bestand eine Theorie noch darin, dass das eben doch kein Einzeltäter war, sondern vielleicht noch ein Komplize im Spiel gewesen sei. Glaubst du, Roland war ein Komplize?«, versuchte Rainer weiter aufzuklären.
»Ich bin kein Hellseher, glaube es aber nicht. Ich denke, die Tat diente nur als Ideengeber. Roland hat die Vorgehensweise kopiert und perfektioniert. Die Grundidee, nicht in die Bank zu gehen, sondern privat beim Filialleiter aufzutauchen ist schon diabolisch, aber durchdacht. Gefahren, erkannt zu werden, werden minimiert. Keine Videoüberwachung, keine Vielzahl an Personen, die in Schach gehalten werden müssen, keine Alarmknöpfe, die Tat wird unter Umständen erst viel später entdeckt und der Täter hat genug Zeit, das Feld zu räumen. Diese Gedanken hatte Roland aufgenommen und mit seinem Insiderwissen ausgebaut. Außerdem hätte er den Vorteil gehabt, dir mit dem Verdacht der Mittäterschaft ein schweres Verbrechen anlasten zu können ohne selbst aktiv gewesen zu sein. Vielleicht wäre es ihm sogar noch gelungen, ein paar Beweise für deine Mittäterschaft zu legen, die dich in einem Prozess schwer belastet hätten, falls alles glatt gelaufen wäre. Du wärst für lebenslang hinter Gitter gewandert.«
»Teuflisch«, entfuhr es Rainer. »Hast du eine Ahnung, wo er sein könnte?«, hängte er an.
»Nicht die leiseste. Wie gehen wir jetzt vor?«, fragte Jens.
»Vielleicht sollten wir die Hansen in unsere Überlegungen einweihen.«
»Einer Polizistin mitteilen, dass wir glauben, ein Kollege sei ein Serienkiller? Was soll das bringen?«, entgegnete Jens.
»Aber wir können nachfragen, wo Roland ist.«
»Okay, ruf an.« Rainer West wählte die Nummer von Roland Ernsts
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