Stahlhexen
hat.«
Um die Augen der Frau zeigten sich Fältchen und sie lachte boshaft. »Und dazu noch einen hübschen Wagen. Oh ja, dieses Mädchen hat es gut. Ja.« Sie hörte auf zu lachen. »Ich habe mit der Polizei gesprochen. Die sagten, von der Presse kriegt man Geld geboten. Stimmt das?«
Fletcher nickte. Er mochte Putzfrauen, und diese hier würde er sogar sehr mögen. Er griff nach seiner Brieftasche und holte einen Fünfziger heraus.
Damit kam er in die Vordiele, einen engen Raum, der kaum einen Meter auf einen Meter maß. Und während sich die eine Tür - die Haustür - hinter ihm schloss, tauchte vor ihm eine weitere solide Tür auf. Hinter diese zweite Tür, die wiederum mit einer Kette gesichert war und nur einen Spalt weit offen stand, hatte die Putzfrau sich jetzt zurückgezogen. Fletcher musste in der niedrigen Vordiele gebückt stehen, es war kalt und düster und er kam sich vor wie in einer Strafzelle.
»Wie heißen Sie?«, fragte er.
Sie gab einen kurzen, aber vieldeutigen Laut von sich.
»Woher kommen Sie?«
»Türkei.«
»Gefällt es Ihnen hier?« »Çidem. Ich heiße Çidem.« »Gefällt es Ihnen hier, Çidem?«
»Schlimm, ganz schlimm. Herablassend.« Wieder stieß sie dieses Lachen aus - ein Gefängniswärterlachen. »Über Daisy kann ich Ihnen gar nichts sagen.«
»Ist sie heute nach Hause gekommen?«
»Nein, nicht, seit sie den Mann in die tiefe Grube gestoßen hat.«
»Wissen Sie, wer das war?«
»Die Polizei hat noch keinen Namen genannt.«
»Es gibt da etwas, was ich gerne wüsste, Çidem. Hat Daisy einen sehr großen Amerikaner gekannt, kurz geschnittenes Haar, in den Fünfzigern, gut gekleidet?«
Çidem runzelte die Stirn, und man konnte sogar im Türspalt die Falte über ihrer Nasenwurzel sehen. »Sie wissen also, dass es Nathan war. Der verrückte alte Nathan.«
»Woher kannten Sie ihn, Çidem?«
»Er hat hinten gewohnt. Im Haus hinter diesem hier.«
»Hinter diesem Haus? Dann war er also ein Nachbar?«
»Ich sage kein Wort mehr.«
»Sie wollen sagen, dass die beiden sich kannten?«
Çidem machte ein Geräusch, als würde sie ausspucken. »Letztes Jahr im Herbst haben sie sich über den Gartenzaun kennengelernt. Er ist beinahe sechzig, sie ist zwanzig, kapiert? Eines Sonntags hat er sie dann nachmittags zum Tee eingeladen. Und ein paar Mal kam er vorbei, brachte alle Zutaten mit und hat für sie gebacken.«
»Gebacken?«
»Apfelkuchen und kleine Törtchen. Viel zu viel, verstehen Sie. Und ein paar Mal ist er ganz langsam auf seinem Motorrad hier vorbeigefahren. Er hatte eine große Harley, sehr laut.«
»Wirkte er bedrohlich?«
»Einfach nur traurig. Sie hatte immer die Vorhänge zu, so als würde er sie sonst vielleicht beobachten.«
»Haben die beiden sich vielleicht mal gestritten, gab es irgendeine Auseinandersetzung?«
47
»So was habe ich nie mitbekommen, nein.«
»Hat er ihr in letzter Zeit irgendetwas vorbeigebracht?«
»Schon seit Monaten nicht. Mehr weiß ich nicht. Die Polizei kam heute hierher und hat ihn beschrieben, genau wie Sie.«
»Und den Beamten haben Sie dasselbe gesagt wie mir?«
»Ja, natürlich. Nathan war verrückt nach Daisy. Was da passiert ist, begreift doch jeder. Gestern Abend ging er in den Club, wo sie sich verkauft. Im Fernsehen hab ich gesehen, dass die beiden zusammen losgefahren sind. Haben Sie es auch gesehen? Dann haben sie sich gestritten und sie hat ihn in die tiefe Grube gestoßen. Ganz einfach.«
Fletcher versuchte, sich aufrecht hinzustellen, doch die Vordiele war einfach zu niedrig.
»Was meinen Sie damit, dass sie sich verkauft?«, fragte
er.
»Sie ist eine...« Çidem brach ab. »Eine was?«
»Ich muss noch schrecklich viel bügeln.« Er reichte ihr eine weitere Fünfzigpfundnote durch den Türspalt. Sie sah ihn mit ruhigen, großen Augen an. »Sie ist eine Hure.«
»Im Club haben sie gesagt, dass sie sich mit den Männern nur unterhält.«
»Und wie finanziert sie dann wohl dieses Haus, eine Putzfrau und den Wagen? Ihre Kleider sind auch teuer. Sie hat Männer hier. Ich wasche ihre Bettwäsche. Ihre Laken sind wie eine Landkarte ...«, Çidem hob in unverblümter Empörung den Zeigefinger, »... all der Sünden der Welt. Da, wo ich herkomme, hätte man so ein Mädchen zum Fluss gebracht und den Schmutz von ihr gewaschen.«
»Verstehe. Haben Sie das auch der Polizei gesagt?«
»Ja. Und die hat mich verstanden.«
»Ah, ja.« Allmählich tat ihm der Nacken weh. »Haben Sie eine Ahnung, wo Daisy jetzt
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