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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Nekrassow
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vom ›Apollo‹ sind auch noch die Jahrgänge zwölf und siebzehn da.«
    Wir verabschieden uns und gehen. Wahrscheinlich brummt Walega schon, weil das Essen kalt geworden ist.
    Am Eingang zum Bahnhof krächzt heiser der große quadratische Lautsprecher:
    »Achtung, Bürger, in der Stadt ist Fliegeralarm gegeben worden. Achtung, Bürger, in der Stadt ist …«
    In den letzten Tagen wurde täglich drei- bis viermal Alarm gegeben. Niemand schenkt dem noch Beachtung. Es wird geschossen, Flugzeuge bekommt man nicht zu Gesicht, und dann wird entwarnt.
    Walega empfängt uns mit bösen Blicken.
    »Sie wissen doch, daß wir keinen Bratofen haben. Zweimal habe ich schon aufgewärmt. Die Kartoffeln sind ganz matschig geworden, und der Borschtsch …«
    Hoffnungslos winkt er mit der Hand ab und wickelt den Borschtsch 4 aus den Mänteln heraus. Hinter dem Bahnhof beginnt die Flak zu schießen.
    Der Borschtsch ist wirklich ausgezeichnet, mit Fleisch und Sahne gekocht. Es sind sogar Teller da, hübsche, mit rosa Blümchen.
    »Ganz wie im Restaurant«, lacht Igor; »es fehlen nur noch Messerbänkchen und dreieckige Servietten im Glas.« Auf einmal fliegt alles zum Teufel: Teller, Löffel, Fensterscheiben, der an der Wand angebrachte Lautsprecher … Verflucht noch mal! Was ist los?
    Hinter dem Bahnhof tauchen langsam, wie zur Parade, Flugzeuge auf. Noch niemals habe ich eine solche Menge gesehen. Es sind so viele, daß es schwierig ist festzustellen, woher sie eigentlich kommen. Der Himmel ist besät mit den Explosionswölkchen der Flakgeschosse.
    Wir stehen auf dem Balkon und starren zum Himmel empor – ich, Igor, Walega, Sedych. Es ist unmöglich, sich von dem Anblick loszureißen.
    Die Deutschen fliegen gerade auf uns zu, in einem Dreieck, wie Zugvögel, ganz niedrig. Deutlich sind die gelben Flügelenden zu sehen, die weiß umrahmten Kreuze, die Räder wie ausgestreckte Krallen … Zehn … zwölf … fünfzehn … achtzehn Stück … formieren sich zu einer Kette …
    gerade uns gegenüber … Das Leitflugzeug dreht sich um den rechten Flügel, mit den Rädern nach oben. Geht zum Sturzflug über … Ich wende kein Auge von ihm. Es hat rote Räder und eine rote Motorspitze. Eine Sirene wird eingeschaltet.
    Unter den Flügeln fallen schwarze Pünktchen heraus, eins …
    zwei … drei … vier … zehn … zwölf … Der letzte Punkt ist groß und weiß. Ich schließe die Augen, klammere mich am Geländer fest, ganz instinktiv. Es ist keine Erde da, in die man sich eingraben könnte, und irgend etwas muß man tun. Man hört, wie der Stuka aus dem Sturzflug wieder hochsteigt. Dann kann man nichts mehr unterscheiden.
    Ein ununterbrochener Donner; alles zittert, ein schwaches, widerwärtiges Beben. Ich öffne für eine Sekunde die Augen. Man sieht nichts, außer Staub, oder vielleicht Rauch. Alles ist von etwas Trübem verschleiert … Wieder heulen Bomben, wieder Donner. Ich halte mich am Geländer fest. Jemand preßt meinen Arm wie mit einem Schraubstock oberhalb des Ellbogens zusammen. Walegas Gesicht, gleichsam erstarrt wie bei dem Aufleuchten eines Blitzes … weiß, mit runden Augen und offenem Mund … Es verschwindet wieder …
    Wie lange dauert es? Eine Stunde, zwei – oder fünfzehn Minuten? Weder Zeit noch Raum. Nur der trübe Schleier und das kalte, rauhe Geländer. Sonst nichts.
    Das Geländer verschwindet. Ich liege auf etwas Weichem, Warmem und Unbequemem. Es bewegt sich unter mir. Ich kralle mich hinein. Es kriecht.
    Keine Gedanken. Der Verstand ist ausgeschaltet. Nur der Instinkt ist geblieben, ein tierischer Lebenswille und ein Warten. Nicht mal Warten, sondern nur der Gedanke: »Schneller, schneller, ganz gleich, was passiert, nur schneller!«
    Später sitzen wir auf dem Bett und rauchen. Wie alles gekommen ist, weiß ich nicht mehr. Ringsherum ist Staub, wie Nebel. Es riecht nach Sprengstoff. Zwischen den Zähnen, in den Ohren, hinterm Kragen – überall Sand. Auf dem Boden Tellerscherben, eine Pfütze aus Borschtsch, Kohlblätter, ein Stück Fleisch. Inmitten des Zimmers ein Asphaltbrocken. Alle Fensterscheiben bis auf eine sind zertrümmert. Der Hals schmerzt, als ob jemand mit einem Stock draufgeschlagen hätte.
    Wir sitzen und rauchen. Ich sehe, wie Walegas Finger zittern – meine wahrscheinlich auch. Sedych reibt sich den Fuß. Igor hat einen großen blauen Fleck auf der Stirn. Er versucht zu lächeln.
    Ich trete auf den Balkon hinaus. Der Bahnhof brennt, das Häuschen rechts vom Bahnhof auch. Dort war

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