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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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ist, aber der kleine Scheißer hat sein Gewehr mitgenommen.«
    Arkadi schaute hinüber zu den Einzelgaragen auf der anderen Straßenseite. Ein ordentlicher Schubs, und eine ganze Reihe dieser Schuppen würde einstürzen. Sein Auto stand in . Nummer vier.
    »Ist das Licht aus?«, fragte er. »In der ganzen Wohnung.«
    »Warum glaubst du, dass er auf ist?«
    »Weil er nicht schlafen kann.«
    »Vielleicht hat jemand ihn mitten in der Nacht angerufen.« Arkadi fand Streichhölzer auf der Fensterbank. »Warst du schon mal in Twer?«
    »Ein- oder zweimal. Hast du irgendwelche von Isakows OMON-Freunden dort gesehen?«
    »Ein- oder zweimal.«
    Die Autos außerhalb der Garagen parkten chaotisch am Randstein und auf dem Gehweg. Alle sahen kalt aus - mit einer Ausnahme: Ein blauer Kleinwagen, ein Honda oder ein Hyundai, hatte eine beschlagene Windschutzscheibe. Arkadi konnte das Nummernschild nicht sehen. Höchstwahrscheinlich kam die Feuchtigkeit vom schweren Atmen eines Liebespaars, das Ungestörtheit suchte, wo es sie finden konnte. Trotzdem entschied er, dass er jetzt doch keine Zigarette brauchte. Was er brauchte, war eine Pistole, und die lag hinter Schloss und Riegel in Moskau.
    »Bei OMON machen sie einen Intelligenztest«, sagte Viktor.
    »Ist das noch ein Witz?«
    » Jeder bekommt zehn Holzklötze in verschiedenen Formen, die in die entsprechend geformten Löcher gesteckt werden sollen. Die Hälfte der Männer scheitert, aber die andere Hälfte schafft es. Schlussfolgerung der Forscher: Fünfzig Prozent der Schwarzen Barette sind abgrundtief blöd, und fünfzig Prozent sind bärenstark. »
    »Ist das komisch?«, fragte Arkadi nach einer Weile. »Das kommt vermutlich auf die Situation an.«
     
    Arkadi träumte von einem kleinen buckligen Mann, der in der offenen Luke eines hoch fliegenden Hubschraubers stand. Der Wind wollte ihn heraussaugen oder losrütteln, aber er überstand die Turbulenzen mit der Ruhe eines Athleten.
    »Ginsberg! Aufpassen!«, schrie Arkadi, der auf einer Bank saß.
    Unterdessen rief Ginsberg dem Piloten zu, er solle tiefer fliegen. Der Lärm der Rotorblätter war ohrenbetäubend, und man verständigte sich mit Handzeichen.
    Durch die Luke blickte man auf ein Panorama von Bergen, Dörfern, Ackerland und einer Ziegenherde. Im Tal floss ein Bach mit einer Steinbrücke; daneben brannte ein Lagerfeuer, und Leichen lagen auf dem Boden. Ginsberg klammerte sich mit einer Hand an den Rahmen der Luke, und in der anderen hielt er eine Kamera. Er rief Arkadis Namen und deutete mit der Kamera hinunter.
     
    Arkadi wachte auf, ging zum Schreibtisch des Professors und wühlte in den Schubladen, bis er eine Lupe gefunden hatte. Was hatte er übersehen?
    Um 13:43 brieten Kebabs über dem Feuer. Die Toten am Feuer lagen auf der Seite, drei auf der linken, vier auf der rechten. Die Leichen auf der Straße lagen auf dem Bauch, weil man ihnen in den Rücken geschossen hatte, als sie zu dem Lastwagen auf der anderen Seite der Brücke gerannt waren. Zusammen waren es vierzehn, und das bedeutete, dass am anderen Ufer des so genannten Gefechtsschauplatzes kein Toter war. Keine Spur von Isakow. Ansonsten war das Foto verschwommen vom aufgewirbelten Staub und den Vibrationen des Hubschraubers.
    Das Foto von 13:47 war beim nächsten Überflug aus der gleichen Position aufgenommen. Urman trug eine Sonnenbrille und zielte mit seinem Gewehr auf den Piloten. Die Leichen auf der Straße hatten sich keinen Millimeter bewegt, aber die Toten am Feuer waren nach vorn gedreht, als beteten sie auf muslimische Art, und die Kebabs rauchten und brannten schon halb. Was hatte sich von einem Bild zum nächsten sonst noch geändert? Etwas so Offenkundiges, dass er es nicht sah. Er bat Ginsberg um Verzeihung und ging wieder ins Bett.
    Er würde also ganz einfach vorgehen. Zur Ausgrabung hinausfahren und auf einen Geist warten. Was konnte noch einfacher sein?
    Um sieben klingelte sein Handy. Die Nummer auf dem Display war ihm neu. Er trug den Tarnanzug und war bereit, zum Grabungsfeld zu fahren, bevor die Sonne aufging. Das Schwarz der Nacht verblasste bereits zu einem von Schneeflocken gesprenkelten Grau. Der blaue Wagen war nicht mehr da, und Arkadi sah nichts Ungewöhnliches in der Umgebung des Schuppens mit dem Schiguli. Das Handy klingelte immer weiter, während er vor dem Schreibtisch und den Regalen des Professors stand und müßig nach einer Waffe suchte. Aber er sah nur französische Taschenbücher - nichts mit einer

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