S.T.A.L.K.E.R. 02 - Inferno
genau zwischen die Tentakel schießen, doch der Schlagbolzen fuhr ins Leere. Reflexartig riss er noch die Waffe herum und stieß dem Schemen den Kolben entgegen. Aber genauso gut hätte er versuchen können, einen fliegenden Zementsack aufzuhalten.
Er spürte einen brutalen Hieb, der sich bis ins Rückenmark fortpflanzte, und stolperte zurück. Die Tentakel klatschten ihm gegen die Hände und wirbelten ihn herum. Hart schlug er auf den Schotter, sekundenlang unfähig, sich zur Seite zu rollen.
Als sich sein Blick klärte, wuchs vor ihm das Gesicht des Bloodsuckers in die Höhe. Ehe David richtig wusste, wie ihm geschah, schlangen sich die Tentakel schon um seinen Hals und zerrten ihn auf das riesenhafte Maul zu.
Er wollte um Hilfe schreien, brachte aber keinen Ton heraus. In einer letzten Panikreaktion stemmte er sich dem Unvermeidlichen entgegen. Seine durch jahrelanges Training gestählten Nackenmuskeln spannten sich an ... doch was half das gegen die gewaltigen Kräfte einer solchen Mutation?
Schmerzhafte Wallungen jagten durch Davids Körper, so als würde plötzlich die doppelte Menge Blut durch seine Adern pumpen. Er sah schon sein sicheres Ende gekommen, als ein harter Schlag die Tentakel erzittern ließ. Im nächsten Moment fehlte dem über ihm aufragenden Bloodsucker der Hinterkopf. Eine von schräg oben herabfahrende Kugel hatte ihn sauber abrasiert.
Die glitschigen Muskelstränge um seinen Hals lockerten sich, das Untier brach tot zusammen. David sah zur Seite, zu dem Triebwagen hin, auf dem Kim mit rauchender Pistolenmündung stand. Sie war nicht geflohen, sondern hatte sich unter der Bahn verborgen gehalten, bis der Bloodsucker an ihr vorbei war.
Diese Wahnsinnige.
Breit grinsend sah sie auf David herab. „Ich glaube, die Biester haben ihre Schwachstelle am Hinterkopf."
24.
„Ich kann nicht mehr", sagte David und ließ sich ausgepumpt zurückfallen.
„Ich will raus aus diesem Loch", hielt Igel dagegen. „Und zwar so schnell wie möglich."
Mit Taschenlampe und Makarov bewaffnet, spähte er in die Runde, hin zu den mutierten Ratten, die langsam wieder näherrückten.
Nur Kim sagte kein Wort. Stattdessen schob sie die letzten Überreste des Fahrers vom Triebwagen und machte sich an der Abdeckung der Akkumulatoren zu schaffen.
„Das hat keinen Zweck", sagte Igel zu ihr. „Komm da runter, wir müssen zum Ausgang."
Statt auf seine Worte zu hören, zog sie ein glockenförmiges Artefakt aus der Gürteltasche und stellte es auf einem der Akkukästen ab. Einen Moment lang geschah nichts, dann lag plötzlich ein Knistern in der Luft. David stand auf, um zu sehen, was da vor sich ging. Zu seiner Überraschung erstrahlte die Akkubox in einem blauen Licht. Von dem Artefakt ausgehend liefen weißglühende Elmsfeuer über die aufragenden Pole und verschwanden darin.
Das Fiepen der anrückenden Ratten wurde lauter. Sie realisierten langsam, dass sie wieder selbst auf Jagd gehen mussten.
Kim trat an den Fahrersitz und drehte den im Zündschloss steckenden Schlüssel um. Der Motor sprang sofort an, lief schnurrend wie eine Katze. Selbst die Glühfäden der Scheinwerfer waren noch intakt. Ihr grelles Licht leuchtete den Tunnel zwanzig Meter weit aus.
„Alles einsteigen", forderte Kim auf und nahm hinter dem Steuer Platz.
„Wie hast du das gemacht?", fragte David verblüfft.
„Mit einem Artefakt, das sich zurecht Batterie nennt."
David und Igel stiegen hinter ihr auf den Triebwagen und ließen sich kutschieren. Der Kadaver des Bloodsuckers wurde einige Meter mitgeschleift und dann durch die scharfen Eisenräder zerlegt. Danach hatten sie freie Fahrt.
Kim drehte sich zu David um. „Setz dich bitte nach vorne und halte Ausschau nach Anomalien", bat sie.
Er kam der Aufforderung nach, konnte aber kein Hindernis auf ihrem Weg feststellen. Sie fuhren nicht schneller als vierzig Kilometer pro Stunde, trotzdem zupfte der Fahrtwind an seinen kurzen Haaren.
Gut zehn Minuten gingen so dahin, zu Fuß wäre das eine gewaltige Strecke geworden. Als sie endlich durch Spinnweben und Efeu ins Freie fuhren, hatten sie die Wachposten der Todestrucker längst weit hinter sich gelassen. Die Schienen verliefen allerdings ungünstig für sie, brachten sie viel zu weit vom eigentlichen Kurs ab. Drei Kilometern später stoppte Kim die Maschine. Von da an ging es zu Fuß in nördlicher Richtung weiter.
Es fehlte ihnen an Elan, denn der Kampf im Tunnel hatte Kraft gekostet. Als sie einen geeigneten
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