S.T.A.L.K.E.R. 03 - Apokalypse
Die brachen selbst einem Pitbull mit bloßen Händen das Genick ― oder weideten ihn schneller mit dem Messer aus, als das Tier mit den Kiefern zuschnappen konnte.
„Du kannst verschwinden", erklärte der Offizier und brachte damit die Flut an Befürchtungen zum Versiegen. „Weil du so brav mitgearbeitet hast, bekommst du sogar dein Gewehr zurück. Aber lass dich hier die nächsten Tage nicht mehr blicken. Und erzähl ruhig jedem, dem du begegnest, dass es im 100 Rad nichts mehr zu trinken gibt."
Das war es also, was Khan das Leben rettete. Plappernd war er den Soldaten nützlicher als dreißig Zentimeter unter der Grasnarbe.
Ihm sollte das nur recht sein.
„Geht in Ordnung." In seiner Erleichterung schlug Khan sogar die Hacken zusammen. „Ich werde überall verkünden, dass das Camp abgeriegelt ist, bis euch die beiden Delinquenten in die Hände gefallen sind."
Der Offizier nickte betont gelangweilt. Trotzdem war in seinen Augen ein Funkeln zu sehen, das ihn Lügen strafte. Khan mochte ein Säufer sein, aber er verstand etwas von der Niedertracht der Menschen. Darum sparte er sich jedes weitere Wort, ließ sich sein AKM zurückgeben und machte sich durch die Gasse, die für ihn gebildet wurde, mit seinen Hunden davon.
Ohne ein einziges Mal zurückzusehen, strebte er dem Wald zu, der sich in etwa zwei Kilometern Entfernung abzeichnete. Erst im Schutz der Bäume verlor er die Furcht, noch einen Schuss in den Rücken zu bekommen.
„Glück gehabt, meine kleinen Kosmonauten", flüsterte er leise. „Wir haben verdammtes Glück gehabt, dass wir noch rausgekommen sind. Denn soviel steht fest. Der Waffenstillstand ist vorbei."
IM WÄCHTERLAGER, NAHE DER ARENA
Die Zahl der freien Stalker, die das Camp besuchten, stieg von Monat zu Monat. Mittlerweile stieß die Logistik der Wächter an ihre Grenzen, das machte sich schon an den mangelnden Toilettenkapazitäten bemerkbar. Als Igel in die kleine Gasse hinter jenem Gebäude einbog, das in seinem Keller das 100 Rad beherbergte, schlug ihm sofort beißender Uringestank entgegen.
Unter normalen Umständen hätte er sich die Nase zugehalten und einen Umweg gewählt, doch die höhere Macht, die seinen freien Willen überlagerte, zwang ihn dazu weiterzugehen. Vorsichtig lavierte er sich um diverse Lachen herum, die sich links und rechts von ihm an den Fassaden entlangzogen.
Ein Stück weiter entleerte ein schwankender Stalker gerade seine Blase, ohne sich daran zu stören, dass er mit beiden Stiefeln in der Pfütze seines Vorgängers stand. Darum bemüht, möglichst flach durch den Mund zu atmen, ließ Igel den Kerl hinter sich und trat in eine leere Baracke, deren Fenster und Türen längst verrottet oder herausgerissen waren.
Unter seinen Sohlen knirschten Unrat und Scherben, während er den ersten Raum durchschritt. Das dahinter liegende Zimmer sah genauso kahl aus. Wenn es hier je Tische, Stühle oder Schränke gegeben hatte, waren sie entweder verbrannt worden oder längst zu den kleinen, weichen Brocken zerfallen, die den Estrich gleichmäßig bedeckten.
Eine alte Blechtonne, in der noch einige verkohlte Fensterrahmen standen, war das einzige Mobiliar, das zum Bleiben einlud. Frische Rußspuren an der Decke bewiesen, dass die primitive Feuerstelle tatsächlich noch benutzt wurde.
„Spoiler?" Igels Frage hallte seltsam hohl von den nackten Wänden wider, während er dazu ansetzte, die Tonne zu umrunden.
Natürlich war ihm klar, dass sich dahinter niemand ungesehen verbergen konnte, doch wo sollte er sonst nach seinen Freunden suchen? Dieser Raum war die verabredete Stelle, an der sie sich treffen wollten.
Noch während er überlegte, was schiefgegangen sein konnte, spürte er eine Bewegung hinter sich. Dem Luftzug nach zu urteilen, hatte jemand neben dem Durchgang gelauert und glitt nun lautlos heran. Der Versuch, den Schleicher zu enttarnen, wurde durch ein rundes Stück Metall gestoppt, das sich in Igels linke Wange bohrte.
„Peng! Du bist tot!" Doppelkinn lachte meckernd, weil es ihm gelungen war, seinen Kameraden zu überraschen.
„Sehr witzig." Igel spürte nur ein schwaches Echo der Wut, die ihn normalerweise durchströmt hätte. „Als ob es jemanden gäbe, der uns hier auflauern würde." Obwohl er eigenständig agieren durfte, erreichten ihn alle Gefühle nur gedämpft, als wären sie von einer weichen, wattierten Masse umschlossen. Doch tief in seinem Inneren schlummerte ein freier Wille, der in Momenten wie diesem am liebsten aufbegehrt
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