Star Trek - VOY - 014 - Das schwarze Ufer.rtf
zwangen sie statt dessen, ihr Selbst dem fremden Etwas zu öffnen, dessen Präsenz sie gespürt
hatte. Kes erinnerte sich an die verzweifelten Stimmen, an eine erstickende Finsternis, die sie umhüllte und den warmen Sonnenschein aus ihrer Wahrnehmung
verbannte. Sie versuchte, sich so gut es ging auf ein ähnliches Erlebnis vorzubereiten.
»Ist alles in Ordnung mit dir?« fragte Neelix. Sein
Gesicht brachte ganz deutliche Besorgnis zum
Ausdruck, und er legte der Ocampa den Arm um die
Schultern. »Du zitterst«, stellte er fest. »Wir können zum Schiff zurückkehren, wenn du möchtest. Nichts
verpflichtet dich zu dieser Sache.«
»Nein.« Kes schüttelte den Kopf. »Hier gab es etwas –
etwas, das mich rief. Ich muß herausfinden, was es mit jenen Stimmen auf sich hat.«
»Um deinetwillen?« fragte Neelix. »Oder ihretwegen?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Kes. Bisher hatte sie nichts entdeckt. Erneut lauschte sie und hörte, wie jenseits des Lampenlichts Wellen an den Strand rollten. »Vielleicht sollten wir näher ans Wasser herangehen«, schlug sie vor.
»Wie du meinst«, erwiderte Neelix. Sie verließen den gepflasterten Weg, und ihre Stiefel sanken in die
körnige Substanz des Strands. Das Rauschen wies
ihnen den Weg, und die Lampen blieben hinter ihnen
zurück.
»Vorsichtig«, sagte Neelix und hielt den Arm der
Ocampa. »Achte darauf, wohin du den Fuß setzt.« Je
mehr sie sich dem Ufer näherten, desto mehr mischte
sich Meerwasser unter die kleinen schwarzen Kugeln,
und dadurch bildete sich ein rutschiger, gallertartiger Film.
Der Weg lag erst einige wenige Meter hinter ihnen, als grelles weißes Licht sie blendete.
»Was hat das zu bedeuten?« entfuhr es der
erschrockenen Kes. Ihr Puls raste plötzlich, und Neelix’
Hand schloß sich fester um ihren Arm.
Das Licht glitt fort von ihren Gesichtern und richtete sich auf die Insignienkommunikatoren. Kes blinzelte
mehrmals und wartete darauf, daß sich die Augen nach der jähen Helligkeit wieder an die Dunkelheit
gewöhnten. Nach einigen Sekunden sah sie einen
kräftig gebauten Ryol: Das Licht ging von einem kleinen Kristall aus, den er in der erhobenen Hand hielt. Die grünen Augen reflektierten den Glanz, und dadurch
wirkte sein Gesicht gespenstisch fremd.
»Tut mir leid, daß ich Sie auf diese Weise überrascht habe«, sagte der Ryol. Abgesehen von den Augen hätte er der Zwillingsbruder des Rettungsschwimmers sein
können, der Kes im Wasser zu Hilfe gekommen war.
»Ich muß Sie bitten, zum Weg zurückzukehren. Nachts
ist der Aufenthalt am Strand verboten.«
»Verboten?« wiederholte Neelix. »Warum?«
Kes erkannte den besonderen Tonfall des Talaxianers.
Neelix schlüpfte jetzt in die Rolle des ermittelnden Journalisten.
»Wegen der gefährlichen Gezeiten«, erklärte der Mann.
»Wenn die Flut kommt oder das Wasser bei Ebbe
abläuft, entstehen Unterströmungen, die selbst das
Waten gefährlich machen, vom Schwimmen ganz zu
schweigen – man könnte innerhalb weniger Sekunden
in Richtung offenes Meer abtreiben.« Der Ryol lächelte, und seine perfekten weißen Zähne glänzten. »Wir
möchten unter allen Umständen vermeiden, daß Sie
oder andere Gäste einen tragischen Unfall erleiden.«
Die Erklärung klang plausibel für Kes, die von Gezeiten und Unterströmungen kaum etwas wußte. Dennoch
konzentrierte sie sich noch etwas stärker auf ihre
außersinnliche Wahrnehmung, in der Hoffnung,
Antworten aus den unergründlichen Tiefen des in der
Dunkelheit verborgenen Meers zu bekommen. Handelte
es sich nur um das Echo einer Erinnerung, oder hörte sie tatsächlich leise Stimmen in weiter Ferne, Stimmen, die in wortloser Agonie schrien? Eine Welle aus
Schmerz und Verzweiflung erfaßte Kes, trübte das Bild vor ihren Augen und bewirkte, daß ihr die Knie weich wurden. Sie schwankte und wäre vermutlich zu Boden
gesunken, wenn Neelix sie nicht gestützt hätte.
»Was ist los?« fragte der Ryol argwöhnisch.
»Nichts weiter«, erwiderte Neelix. »Wir haben nur einen langen und sehr aktiven Tag hinter uns. Auf Ihrem
wundervollen Planeten gibt es so viele interessante
Dinge!« Er hielt Kes nicht mehr ganz so fest, als sie wieder aus eigener Kraft stehen konnte. »Nun, ich
schätze, wir kehren jetzt besser zurück. Ist der Strand morgen früh wieder zugänglich?«
»Natürlich«, bestätigte der Ryol. Er bewegte die Hand, und das Licht des Kristalls reichte nun bis zum Weg. Die miteinander verschmolzenen
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